Fire after Dark - Tiefes Begehren: Roman (German Edition)
normaler und zieht sich die Ohrstöpsel aus den Ohren. »Ich höre mir etwas Fröhliches und Erhebendes an, das zur allgemeinen Atmosphäre hier passt – Mozarts Requiem . Und ich sagte Pleuritis. Rippenfellentzündung. Also irgendwas mit der Lunge. Das hat die Mutter von Marcia. Aber offenbar geht es ihr schon besser, und Marcia wird am Montag wieder hier sein. Darum …« Edward rollt die Augen gen Himmel und deutet mit dem Kopf in Richtung Tür, »… muss ich diesen Lärm nicht mehr lange ertragen, Gott sei Dank. Die sind zugange, seit ich gekommen bin.« Er schneidet eine Grimasse. »Diese Frau hat ein erstaunliches Lungenvolumen. Ganz eindeutig keine Pleuritis.«
Marcia wird am Montag wieder hier sein . Heute ist Freitag. Das Wochenende steht bevor. Ich habe wegen der Party mitten in der Woche die Zeit völlig aus den Augen verloren. Und ich habe sehr gute Fortschritte bezüglich der Sammlung erzielt, so dass ich mir jetzt überlegen kann, wie ich die Bilder hängen will. Das bedeutet, ich könnte mit diesem Job viel schneller fertig sein, als ich dachte. Das Bild der lesenden, jungen Frau taucht wieder vor meinem inneren Auge auf, schwebt vor mir in all seiner Reinheit und Heiterkeit. Ich muss mich bei Mark danach erkundigen. Vielleicht besuche ich ihn gleich heute.
»Macht Ihnen das gar nichts aus?«, fragt Edward. Ich schaue ihn verständnislos an. »Das Schreien da drin. Sie jault, als wolle sie für die Jahrestagung der Heuler üben!«
»Äh … nein.« Ich werde mit diesem Kerl nicht über Andrei und Anna diskutieren.
»Na gut«, sagt Edward, nimmt seine Ohrstöpsel und steckt sie wieder an Ort und Stelle. »Zurück zum turbulenten Reigen des Requiem . Wollen wir hoffen, dass die beiden das Ende ihres ganz persönlichen Glorias erreicht haben, bevor ich hier fertig bin.«
Ich überlasse Edward seinem Mozart und konzentriere mich darauf, meinen Mail-Account zu öffnen, um Mark zu fragen, ob ich vorbeikommen darf. Fast umgehend antwortet er, dass ich ihm jederzeit willkommen sei, ich könne doch zum Mittagessen vorbeischauen. Er habe mich ohnehin bitten wollen, einmal vorbeizukommen, wenn Andrei mich nicht allzu beschäftigt halte.
Es freut mich ungemein, dass ich Mark wiedersehen werde. Ich habe ihn vermisst. Als ich ihm eine Antwortmail mit meiner Bestätigung schicke, fällt mir auf, dass das lärmige Liebesspiel jetzt offenbar zu Ende ist. Ein Bild taucht vor meinem inneren Auge auf. Andrei liegt in Annas Armen, beide atmen schwer in postkoitaler Schläfrigkeit. Sie fährt mit der Hand über seinen Kopf, zerzaust seine dunkelblonden Haare. Seine blauen Augen strahlen in einem weichen Kornblumenblau. Ich muss an jemanden denken, der einen Löwen streichelt. Ein wildes Tier ist niemals wirklich zahm. Es hat sich nur entschieden, nicht anzugreifen. Jetzt noch nicht.
Da trifft eine E-Mail von Dominic ein.
Die letzte Nacht hat alles erfüllt, was ich mir in der Zeit unserer Trennung erhofft habe. Du bist so umwerfend, ich darf nicht an dich denken, sonst bekomme ich bei der Arbeit überhaupt nichts geregelt. Aber wir haben ja das ganze Wochenende vor uns, an dem wir spielen können … falls du nicht anderweitig gebunden bist …
Ich will dich nicht einspannen, aber halte dir Zeit für mich frei.
Kuss, D
Seine Anspielungen wecken die Erinnerung daran, wie ich an das Bett gefesselt bin, und senden köstliche Schauer durch meinen Körper. Plötzlich erfüllt mich Begehren. Ich schicke eine Antwortmail.
Der Gedanke ist fesselnd. Meine Zeit gehört ganz dir, ich gehöre ganz dir …
Kuss, B
Ich versuche, die ablenkenden Gedanken an das, was Dominic letzte Nacht mit mir machte, beiseitezuschieben, und stattdessen den Fragonard zu recherchieren, aber ich kann mich nur schwer konzentrieren. Nach ein paar Minuten beschließe ich, mir Kaffee aus der Küche zu holen. Ich biete Edward an, ihm welchen mitzubringen. Ich hoffe, Sri ist nicht da. Inzwischen kenne ich mich so ziemlich mit den Kaffeesachen aus, und ich möchte nicht, dass sie mich bedient, wo sie doch sicher viele andere Dinge zu tun hat. Zu meiner Freude ist die Küche leer, und ich mache mich daran, die Kaffeemaschine vorzubereiten, wie ich es bei Sri gesehen habe. Ich stehe mit dem Rücken zur Tür, darum bemerke ich erst, dass jemand hinter mir steht, als ich eine Stimme höre.
»Reicht es noch für zwei mehr?«
Ich drehe mich um. Andrei steht in der Tür, in einem dunkelblauen Kaschmirmorgenmantel, der seine Augen beinahe türkisfarben
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