Firelight 1 - Brennender Kuss (German Edition)
starre auf den Tisch vor mir und konzentriere mich darauf, gleichmäßig ein- und auszuatmen. Aber als er spricht, muss ich doch hochschauen, wie verzaubert von seiner samtig weichen Stimme.
»Ist der Platz noch frei?«, fragt er Nathan, während er noch immer mich ansieht.
»Schätze schon.« Nathan zuckt mit den Schultern und wirft mir einen unsicheren Blick zu, während er nach seinem Rucksack greift. »Ich wollte eh gerade in die Bibliothek. Bis später, Jacinda.«
Will wartet kurz ab und betrachtet den leeren Stuhl neben mir, bevor er sich setzt – als erwarte er, dass ich etwas dazu sage. Ihn aufhalte? Oder ihm den Platz anbiete?
Dann dreht er sich zu mir und lächelt – es ist nur ein zaghaftes Lächeln, aber so süß.
In mir staut sich eine gefährliche Hitze an, die mir im Augenblick gar nicht gelegen kommt. Meine Haut spannt sich, will sich in Drakihaut verwandeln. Meine Instinkte spielen verrückt.
Komisch. Ich habe mir Sorgen gemacht, dass mein Draki in dieser Wüste schrumpfen, ja sogar sterben würde, so wie Mum es plant. Aber nie habe ich mich so lebendig gefühlt wie in der Gegenwart dieses Jungen – und noch nie so hin- und hergerissen. Ich fahre mir mit der Hand über den Arm und konzentriere mich darauf, meine Haut abzukühlen – meinen Draki zu vertreiben. Zumindest vorerst.
Schweigend sitzen wir da und es ist wirklich merkwürdig. Er weiß über mich Bescheid – na ja, nicht direkt. Er kann ja unmöglich wissen, dass in mir eines dieser Wesen schlummert. Was ich meine, ist, er kennt uns – meine Art. Er hat mich gesehen. Er weiß, dass wir existieren. Er hat mich gerettet!
Ich will einfach alles über ihn wissen – und trotzdem bringe ich keinen Ton heraus, nicht ein einziges Wort! Ich bin viel zu beschäftigt damit, mich darauf zu konzentrieren, im Innersten möglichst kühl und entspannt zu bleiben – den Draki zu bändigen . So gerne will ich diesen Jungen besser kennenlernen, aber mir ist nicht klar, wie ich das, ohne zu atmen und zu sprechen, fertigbringen soll.
Dabei hat mich eigentlich nur zu interessieren, dass seine Familie auf die Jagd geht. Das darf ich nicht vergessen, niemals. Sie töten meine Art oder verkaufen uns an die Enkros. Durch ihre vermaledeiten Hände werden wir entweder versklavt oder ausgeweidet. In mir verkrampft sich alles und ich rufe mir in Erinnerung, dass auch er Teil dieser dunklen Welt ist. Auch wenn er mir dabei geholfen hat zu fliehen, sollte ich ihm aus dem Weg gehen, und zwar nicht nur, weil Tamra es mir geraten hat. Ich sollte meine Sachen packen und den Tisch wechseln.
Stattdessen rühre ich mich nicht vom Fleck, auch wenn ich vorsichtig auf meinem Stuhl balanciere und aufpasse, dass sich unsere Körper nicht berühren.
»Na dann«, sagt er, als wären wir mitten im Gespräch, als würden wir uns schon eine Ewigkeit kennen. Beim Klang seiner Stimme fängt ein Nerv nahe meinem Auge an zu zucken. »Du bist also neu hier.«
Ich nehme all meinen Mut zusammen, um wenigstens etwas herauszuquetschen. »Ja.«
»Du bist mir vorhin schon aufgefallen.«
Ich nicke und sage: »Stimmt. Vorhin im Gang. Ich hab dich auch gesehen.«
Sein warmer Blick gleitet über mich. »Ja, und später beim Sport.«
Ich runzle die Stirn. Ich kann mich nicht daran erinnern, ihn in der vierten Stunde gesehen – oder gespürt – zu haben.
»Du bist Bahnen gelaufen«, erklärt er. »Ich war in der Schwimmhalle und hab dich durchs Fenster gesehen.«
»Ach so.« Warum, weiß ich nicht, aber mich durchfährt ein kleiner Blitz beim Gedanken daran, dass er mich beobachtet hat.
»Du warst ganz schön schnell.«
Ich lächle. Er lächelt zurück und die Grübchen in seinen Wangen werden noch deutlicher. Mein Herz macht einen Sprung.
»Laufen macht mir Spaß.« Wenn ich richtig schnell renne und der Wind mir entgegenschlägt, kann ich mir fast einreden, dass ich fliege.
»Manchmal«, fährt er fort, »rennen Jungs und Mädchen im Sport gemeinsam. Obwohl ich bezweifle, dass ich mit dir mithalten könnte.« Seine Stimme ist tief, ein bisschen spöttisch, und wieder durchströmt mich Hitze und ballt sich tief in meinem Bauch zusammen.
Ich stelle mir vor, wie es wäre, mit ihm Seite an Seite zu rennen. Soll das etwa heißen, dass er das gerne möchte? Ich stoße einen kleinen Lufthauch aus. Jederzeit, ich würde liebend gern mit ihm laufen! Aber besser nicht, das geht nicht, das wäre keine gute Idee …
Als die Pausenglocke zum letzten Mal schrillt, schlurfen verspätet
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