Firelight 1 - Brennender Kuss (German Edition)
dessen Schloss sich eiskalt anfühlt. Menschen eilen an mir vorbei und rempeln mich an. Seltsamerweise brennen mir die Augen, als sich Tränen den Weg nach draußen erzwingen wollen. Dabei ist das völlig bescheuert. Dass ich meinen Spind nicht aufbekomme, ist noch lange kein Grund loszuheulen. Ich schaue mich um und hoffe, dass Tamra bald aufkreuzt, damit wir diesen abscheulichen Ort endlich verlassen können.
»Will Rutledge, ich bin beeindruckt.« Beim Klang der fröhlichen Stimme fahre ich herum und erkenne ein Mädchen aus dem Sportunterricht wieder. Sie war ein gutes Stück schneller als die anderen und ich habe sie auch nur ein Mal überrundet. Ihr glattes braunes Haar sieht ein bisschen aus wie das von Az, aber ihre Augen, die neugierig hinter einem fransigen Pony hervorspitzen, sind groß und blaugrün. Eigentlich sind die Fransen ein wenig zu lang und unregelmäßig, als hätte sie beim Schneiden selbst Hand angelegt.
»Wie bitte?«, sage ich.
»Will und seine Cousins – sie sind hier die große Attraktion.« Sie spricht leise und kehlig, dehnt jedes Wort.
»Ach wirklich«, nuschle ich.
»Reich, heiß, und sie haben dieses Bad-Boy-Image.« Sie nickt. »Xander und Angus haben einen echten Verschleiß – sie haben schon fast jedes Mädchen an der Schule durch. Will ist da allerdings ganz anders. Er ist …«
Ich beuge mich ein bisschen vor, um ja nichts zu verpassen, was sie mir über ihn erzählt.
»Na ja. Will eben …« Ein wehmütiges Grinsen umspielt ihren Mund. »Er ist nicht leicht zu kriegen. Keins der Mädchen hier scheint ihn zu interessieren.« Sie rollt ihre beeindruckenden Augen und stößt einen bühnenreifen Seufzer aus. »Natürlich macht ihn das für alle nur noch begehrenswerter.«
Mein Herz macht einen Sprung.
»Ich bin Catherine«, stellt sie sich vor.
»Hi, ich bin …«
»Jacinda, ich weiß.«
»Woher …?«
»Mittlerweile kennt jeder deinen Namen – und den deiner Schwester. Glaub mir, diese Schule ist nicht so groß.« Sie tritt einen Schritt vor und wischt mit einer lässigen Bewegung meine Hand vom Schloss. »Wie ist die Kombination?«
Ich nenne ihr die sechs Nummern und frage mich kurz, ob es eine gute Idee ist, Fremden meine Schließfachkombination zu verraten, und ob ich es je schaffen werde, das Ding alleine zu öffnen. Catherines Finger fliegen über die kleinen Räder, dann hebt sie den Griff und öffnet die Tür.
»Danke.«
»Kein Problem.« Sie lehnt sich mit der Schulter an den Schrank neben meinem und sieht dabei sehr zufrieden und entspannt aus – als würden wir das hier jeden Tag tun. »Kleiner Tipp: Du solltest dich von ihm fernhalten.«
»Meinst du Will Rutledge?«, frage ich und bin ganz hingerissen vom Klang seines Namens.
Sie nickt und einen Augenblick lang fühle ich mich, als hätte ich ein Déjà-vu und würde noch einmal mit Tamra sprechen. Wut und Enttäuschung kochen in mir hoch, schon mein ganzes Leben lang haben mir andere gute Ratschläge erteilt, die ich befolgen sollte.
Ich klammere mich an meinem Chemiebuch fest und greife nach meiner Englischlektüre, die noch im Regal liegt. »Warum denn?«
»Weil Brooklyn Davis dich – und alle anderen, die ihm schöne Augen machen – in Stücke reißen wird.«
Eigentlich hatte ich gedacht, dass sie mich vor Will warnt, weil er gefährlich ist, so wie er es selbst schon angedeutet hat. Das hätte ich ihr sofort abgenommen – immerhin ist es mir selbst bereits aufgefallen. Und jedes Mal, wenn er in der Nähe ist und mein Körper in Habachtstellung geht, wird es mir wieder bewusst.
»Oh.« Ich nicke und denke an das Mädchen aus meiner Englischklasse. Dann zucke ich mit den Schultern. Nachdem ich auf der Flucht vor Jägern um mein Leben gerannt bin, stellt eine Schülerin mit zu viel Lipgloss auf den Lippen für mein Verständnis keine Bedrohung dar. Schon früher bin ich mit Mädels fertig geworden, die mich nicht leiden konnten. Spontan fällt mir Miriam, die kleine Schwester von Cassian, ein. Die hat mich von klein auf gehasst. Sie hat es nicht ertragen, dass ihre Familie – ihr Vater und Cassian – mir so viel Aufmerksamkeit geschenkt hat. Sogar ihre Tante hat mich regelrecht vergöttert, und zwar so sehr, dass es mir Angst eingejagt hat. Als würde sie sich für meine Mutter halten oder so was in der Art. Aber weil Catherine mich ansieht, als erwarte sie etwas mehr als einen einsilbigen Kommentar, füge ich hinzu: »Ich mache ihm keine schönen Augen.«
»Dann ist ja gut.
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