Firelight 1 - Brennender Kuss (German Edition)
als ich plötzlich Xander und Angus erblicke. Kalte Schauer laufen mir über den Rücken.
Sie sind zurück.
11
A uf der Stelle suche ich nach Will, doch er ist nirgends zu sehen.
Mein verräterisches Herz wird mir schwer. Xander beobachtet mich mit seinen schwarzen, undurchdringlichen Augen. Er nickt mir grüßend zu. Angus unterhält sich mit den Mädchen am Tisch neben ihm und fuchtelt mit seinen großen, groben Händen in der Luft herum. Er bemerkt mich nicht.
In meinem Kopf ist nur Platz für einen Gedanken: Wo ist Will?
Ich sinke auf meinen Stuhl, den Blick starr nach vorn gerichtet. Noch ist Catherine nicht hier – von den Kunsträumen aus hat sie immer einen langen Weg.
Ich wische mir die Hände an der Jeans ab. Vorne im Zimmer bildet sich eine lange Schlange, jeder will so schnell wie möglich wieder fort und hat es auf den heiß ersehnten Erlaubnisschein abgesehen. Ich spüre Xanders bohrenden Blick im Nacken und überlege, ob ich mich auch anstellen soll.
Immerhin ist er eben erst von der Jagd gekommen. Klebt purpurnes, schillerndes Drakiblut an seinen Händen? Wittert er wie ein Bluthund seine Beute? Kann er Drakis riechen? Mich? Das würde zumindest erklären, warum er mich so gierig anstarrt.
Es läutet ohrenbetäubend schrill zum Stundenbeginn, doch inzwischen habe ich mich an den Lärm gewöhnt und zucke kaum noch zusammen. Trostlosigkeit durchströmt mich. Ich blinzle und presse die Augen fest aufeinander. Eigentlich will ich mich an nichts von alledem hier gewöhnen.
»Hey, Jacinda. Willst du mit mir und Mike in die Bibliothek kommen?« Nathan bleibt neben meinem Tisch stehen, ein gut gelauntes Lächeln in seinem kindlichen, runden Gesicht.
»Danke, aber heute nicht. Ich bin mit Catherine zum Lernen verabredet.«
Schulterzuckend stellen sich Nathan und sein Freund in der Schlange an. Soll ich doch mitkommen? Noch habe ich Gelegenheit dazu.
Doch eine Sekunde später sind meine Fluchtgedanken auf einen Schlag wie weggeblasen. Das lang vermisste Summen stellt sich in meiner Brust ein und erfasst mich ganz und gar. Meine Haut ist auf einmal wieder lebendig. Mein Kopf fährt herum und mit weit aufgerissenen Augen erblicke ich Will, der gerade ins Klassenzimmer kommt.
Alles an ihm erscheint mir viel beeindruckender, als ich es in Erinnerung hatte.
Die goldenen Strähnen in seinem Haar. Seine strahlenden Haselnussaugen. Seine Größe. Seine breiten Schultern. Neben ihm wirkt jeder andere Junge klein, kindlich und einfach lächerlich.
Plötzlich fühlen sich die Tage ohne ihn wie eine Ewigkeit an. So lange schon habe ich auf diesen Moment gewartet. Darauf, ihn endlich wiederzusehen. Darauf, dass meine Lungen sich straffen und mein Herz wieder froh und kräftig in meiner Brust schlägt.
Darauf, dass mein Draki sich wieder regt.
Wills Blick fängt mich ein, seine grün-braunen Augen schauen hell und hungrig in meine Richtung, sodass mir ganz heiß wird. Doch nicht nur seinen Blick spüre ich auf mir. Hinter mir starrt auch Xander mich an, als wolle er mich durchbohren.
Will kommt auf mich zu und schon habe ich alle anderen um uns herum vergessen. Ich vergesse, dass ich mich von ihm fernhalten sollte. So nah bei Will vergesse ich sogar meine unbestimmte Angst vor Xander. Ich will nur, dass Will bei mir stehen bleibt, mit mir redet und seinen Zauber über meine verblühende Seele legt. Das brauche ich. Jetzt ist er beinahe an meinem Tisch. Meine Lungen breiten sich aus, glimmen. Rauch steigt meine Kehle hinauf. Es fühlt sich fantastisch an! Es fühlt sich so lebendig an!
Meine satte Haut wird heiß und leuchtet kurz rotgolden auf. Fest umklammere ich meinen Arm, so sehr, dass es wehtut – als könne der Druck mich davor bewahren, mich in einem Raum voller Menschen zu verwandeln.
Jetzt ist Will so nah, dass ich die Facetten von Grün, Gold und Braun in seinen Augen sehen kann. Noch ein Schritt, dann ist er bei mir!
Ich halte die Luft an. Warte auf eine Reaktion …
Plötzlich sieht er an mir vorbei, schaut zu seinen Cousins und in seinem Gesicht geht eine Veränderung vor. Mit einem Mal sind die Gefühle und der Hunger darin wie fortgespült. Mit gelangweilter Miene spaziert er an mir vorbei, während ich zitternd auf meinem Stuhl zurückbleibe.
Seine kühle Zurückweisung raubt mir den Atem. All die Hitze strömt mit einem leisen Zischen aus mir heraus und das Lodern in meinen Lungen wird zu einem schwächlichen Glimmen.
Nichts? Nicht ein Wort?
Ich denke an unsere letzte Begegnung
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