Firelight 1 - Brennender Kuss (German Edition)
und der Trockenheit, die mein Haar zum Knistern bringen und meine Haut austrocknen, könnte ich mir beinahe einreden, dass die Wüste nicht länger existiert.
Ich ziehe Schuhe und Strümpfe aus, trete auf die Wiese und genieße das weiche Graspolster unter meinen Füßen. Ich gehe an einem Sandloch vorbei, dann an einigen strategisch geschickt platzierten Geröllhaufen. Weiter vorn liegt ein Teich, der schimmert wie Glas. Mit schnellerem Schritt laufe ich auf eine kleine Gruppe von Laubbäumen zu. Dort schlüpfe ich aus meinen Kleidern und trockene Hitze umfängt meinen Körper.
Seufzend hebe ich mein Gesicht gen Himmel und atme die dünne Backofenluft ein, lasse sie in mich strömen und fülle meine Lungen damit. Langsam breite ich die Arme aus, beschwöre die Verwandlung herbei …
Ich schließe die Augen, sammle meine Gedanken und konzentriere mich wie noch nie zuvor.
Nein! Es ist sogar noch schlimmer als die paar Male vorher.
Die Knochen in meinem Gesicht verändern ihre Form, verjüngen sich zu scharfkantigen Linien und Winkeln. Ich atme schneller, während meine Nase sich verändert, sich kleine Höcker durch die Haut pressen, Knochen und Knorpel leise krachen. Es tut ein bisschen weh. Als hätte mein Körper etwas dagegen und würde dagegen ankämpfen. Als ob er nicht will, dass es geschieht.
Allmählich spüre ich, wie meine Glieder leichter und länger werden. Meine menschliche Hülle schmilzt und wird von festerem Gewebe ersetzt, von starker, robuster Drakihaut.
Eine heiße Träne rollt mir über die Wange und ein Stöhnen dringt aus meinem Mund, bringt mich um den Verstand.
Meine Haut verändert ihre Farbe, schimmert golden und rot. Endlich befreien sich meine Flügel, breiten sich aus und entfalten sich in voller Länge hinter meinem Rücken, schlagen in der Luft auf und ab. Auf der Stelle federe ich mich vom Boden ab, um zu starten, und würde am liebsten in Tränen ausbrechen, weil es so anstrengend ist und sich so unmöglich anfühlt.
Meine Muskeln brennen und protestieren lautstark. Hinter mir schlagen meine Flügel wie wild, geben alles, um mich in die Höhe zu tragen – in dieser Luft, der jede Dichte fehlt, jede Substanz. Meine Flügel suchen vergeblich nach irgendeinem Halt, einem Widerstand, um mich höhersteigen zu lassen. Es ist so schwer. So schwer!
Endlich hebe ich ab, völlig außer Atem vor lauter Anstrengung. Die Enttäuschung treibt mir die Tränen in die Augen und verwässert meinen Blick – noch mehr Flüssigkeit, die ich nicht entbehren kann.
Tief unter mir treibt das Grün dahin. Ich blinzle, schaue mich gründlich um und fasse schließlich die rot gedeckten Dächer in den Blick, die sich vor mir erstrecken. Aus der Ferne wirken die Lichter der Autos auf dem Highway winzig. Und noch weiter entfernt sehe ich die Berge, die sich wie Farbkleckse gegen den Nachthimmel abzeichnen.
Wie in Tinte badend, schwebe ich in der Luft, in der das Schlagen meiner Flügel wie ein Misston klingt.
Mein Körper fühlt sich nicht richtig an. Sogar mit meinen Lungen scheint etwas nicht zu stimmen, sie wirken … zu klein . Kraftlos und gewöhnlich. Selbst der menschliche Körper der eiskalt funktionierenden Jacinda fühlt sich natürlicher an – und am liebsten möchte ich deswegen laut schreien und meine Trauer herausbrüllen.
Aber ich beherrsche mich und fliege weiter, bemühe mich, schneller zu werden, bleibe aber über dem grünen Golfplatz, aus Angst, die Verwandlung könne nicht lange anhalten. Ich sauge die Luft in mich ein, schnappe nach ihr und schlinge sie herunter. Aber es hilft nichts, sie füllt mich nicht aus. Schafft es nicht, meine schrumpfenden Lungen aufzublasen.
Ich gebe nicht auf, strenge mich an, bis mein gequältes, rasselndes Schnaufen der einzige Laut in meinem Kopf ist. Schließlich gebe ich mich geschlagen, halte an und setze in einem weiten Bogen zur Landung an, wie eine flatternde, sterbende Motte.
Schluchzend lande ich auf dem Boden und kehre zu den Bäumen zurück, wo ich mich zurückverwandle. Da stehe ich nun, vornübergebeugt und halte mir den Bauch, weil mein Körper mich bestraft für das, was er nicht länger tun will. Krämpfe schütteln mich, während ich mich übergebe. Die Würgegeräusche sind grässlich und die Qualen endlos.
Mit einer Hand stütze ich mich an einem der Bäume ab, grabe die Finger so fest in die Rinde, dass einer meiner Nägel splittert.
Endlich hört es auf. Mit zitternden Händen ziehe ich mich an und falle dann erschöpft
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