Firelight 1 - Brennender Kuss (German Edition)
schwierig, aber deshalb bin ich nicht weniger entschlossen. Mir bleibt keine Wahl, ich muss es einfach weiterprobieren. Ich muss fliegen. Selbst mit Will an meiner Seite müsste ich das tun und lernen, wie ich meinen Draki auch allein erhalten kann.
Außerdem bearbeite ich Mum. Wann immer sich mir die Gelegenheit bietet, nörgle und flehe ich, bis sie mich schließlich still und wie taub ansieht – und es keinen Sinn mehr hat, weiter mit ihr zu diskutieren, weil sie fest entschlossen ist, mit uns in Chaparral zu bleiben. Heute Abend ist es allerdings Tamra, die ihr auf die Nerven fällt.
Mum dreht sich mit einem Löffel Tomatensoße in der Hand vom Herd weg. Noch einmal fragt sie in diesem ungläubigen Tonfall: »Wie viel?«
Hinter ihr steht ein dampfender Topf mit Nudeln. Ich bemühe mich, die aufsteigenden Schwaden nicht anzustarren, die mich an den Nebel zu Hause erinnern. Schon tut meine Haut wieder weh.
Stattdessen richte ich meinen Blick auf Mum. Sie sieht müde aus und das erste Mal tatsächlich wie sechsundfünfzig Jahre. Drakis altern anders, langsamer. Unser Durchschnittsalter liegt bei etwa dreihundert Jahren. Wenn wir erst die Pubertät hinter uns haben, verlangsamt sich unser Alterungsprozess. Im Moment sehe ich wie ein ganz normales Mädchen in meinem Alter aus, aber ich werde noch lange wie ein Teenager wirken – sogar noch mit dreißig.
Mum dagegen holt die Zeit allmählich ein – das sind die Folgen, wenn man den eigenen Draki opfert. Jetzt ist sie menschlich und das sieht man ihr an: an den Falten auf ihrer Stirn, den dünnen Linien um ihre Augen. Diese Falten bleiben und zeigen sich nicht mehr nur dann, wenn sie sich Sorgen macht.
Ich stehe am Tisch und balanciere drei Teller in den Händen, während ich zusehe, wie Tamra mit ihrem Flyer in der Luft herumwedelt und Mums Frage auf Teufel komm raus ignoriert. »Ach, komm schon, Mum. Das macht sich super in jeder College-Bewerbung!«
Ich senke den Kopf, als ich einen Teller auf den Untersetzer vor mir stelle, damit sie nicht sieht, wie ich mit den Augen rolle.
Tamra findet Cheerleader nun mal gut und als ihre Schwester sollte ich sie unterstützen und nicht bei der Vorstellung von ihr als Neuzugang bei Brooklyn und ihren Schwestern das Würgen anfangen.
»Das ist eine Menge Geld, Tamra.«
»Geld, das wir nicht haben«, kann ich mir nicht verkneifen zu sagen. Denn ich sehe schließlich, wie hart Mum arbeitet. Der schale Gestank nach Zigaretten klebt auch dann noch an ihr, wenn sie sich geduscht und die Haare gewaschen hat.
Tamra wirft mir einen giftigen Blick zu, aber ich zucke nur mit den Schultern. Sieht sie denn nicht die Ringe unter Mums Augen? Kriegt sie nicht mit, dass sie erst um fünf Uhr morgens heimkommt?
»Ich kann mir einen Halbtagsjob zulegen. Ach bitte, Mum! Unterschreib doch die Einverständniserklärung. Ich meine, noch steht ja noch nicht mal fest, ob sie mich überhaupt nehmen. Wir müssen erst zahlen, wenn ich im Team bin.« Der flehende Ton in Tamras Stimme ist mir völlig neu. Früher, als wir noch beim Rudel lebten, habe ich die Verzweiflung immer nur in ihren Augen gesehen, aber sie nie in ihren Worten gehört. Auch zu Hause hat sie sich eine Menge Dinge gewünscht, aber sie musste das Leben eben hinnehmen, wie es kam. Ich frage mich, warum sie gerade das jetzt so dringend will.
Ohne nachzudenken, sprudelt die Frage laut aus mir heraus.
Tamra sieht mich an, ihre Augen sind hart wie Bernsteinsplitter. »Weil es etwas ist, das ich nie auch nur zu träumen gewagt habe – und jetzt ist es auf einmal möglich.«
Und dann kapiere ich. Jetzt kann sie es haben – Normalität, Respekt. Genau so lange, wie wir in Chaparral bleiben. Mir ist klar, was das bedeutet, und die Verantwortung wiegt schwer auf meinen Schultern. Ich weiß, dass es im Großen und Ganzen an mir liegt, ob unser Leben hier draußen funktioniert oder nicht.
Cheerleading ist Teil von Tamras Traum – dem Traum, ein ganz normales Mädchen mit einem ganz normalen Leben zu sein. Für Tamra gehört das Pompon-Schwingen zu der Durchschnittlichkeit, die sie sich wünscht.
Mum starrt das Formular an und die Falten um ihren Mund werden noch tiefer. Wenn sie unterschreibt, dann darf Tamra zum Casting, und wenn sie es ins Team schafft, werden wir das Geld für Uniformen und Ausrüstung auftreiben müssen.
Ich habe keinerlei Zweifel, dass Tamra aufgenommen wird. Neugierig, was Mum jetzt tun wird, sehe ich zu – wird sie wenigstens einer Tochter nachgeben? Mir
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