Firelight 1 - Brennender Kuss (German Edition)
Treppenhaus am südlichen Ende führt – weit weg von dieser irren Versammlung.
Als die Tür hinter uns zufällt, hallt der Knall noch lange und laut im Inneren des Treppenhauses wider. Es fühlt sich an, als steckten wir in einer kleinen Luftblase, tief im Erdreich. Weit entfernt von allem und jedem – die einzigen beiden Menschen auf der Welt.
Will lässt meine Hand los und setzt sich auf eine der Stufen. Ich hocke mich eine Stufe tiefer, weil es mir zu peinlich ist, mich direkt neben ihn zu setzen. Der Beton unter mir ist kalt und hart und das stählerne Geländer drückt mir in den Rücken.
Normalerweise vermeide ich die engen, stickigen Treppenhäuser und nehme lieber die Rampen in der Mitte des Schulgebäudes, die das Erdgeschoss mit dem ersten Stock verbinden. Auch wenn das bedeutet, dass ich jedes Mal ein bisschen mehr Zeit einplanen muss, um rechtzeitig zum Unterricht zu kommen.
Aber jetzt, mit Will, macht es mir nichts mehr aus.
»Danke, dass du mich da rausgeholt hast«, murmle ich, während ich zu ihm hochblicke.
»Na ja, du hast ein wenig grün um die Nase ausgesehen.«
»Große Menschenmengen bekommen mir nicht so gut. Damit hatte ich schon immer Probleme, glaube ich.«
»Du könntest Ärger bekommen«, warnt er mich und sieht mich dabei auf diese merkwürdige, sehnsuchtsvolle Art an, die mich aus der Fassung bringt.
Er streift sich mit dem Finger über die Unterlippe. Für den Bruchteil einer Sekunde verändern sich seine Augen, wirken seltsam, als würden sie nur noch aus glühender Iris und schmalen dunklen Pupillen bestehen. Fast schon wie bei einem Draki. Ich blinzle, um noch einmal genauer hinzusehen, doch da sind seine Augen wieder völlig normal. Meine Fantasie geht mal wieder mit mir durch. Wahrscheinlich vermisse ich meine Heimat und Az – alles! – so sehr, dass ich es schon auf Will projiziere.
»Diese Treffen vor wichtigen Veranstaltungen sind Pflicht«, redet Will weiter. »Eine Menge Leute haben gesehen, wie du gegangen bist – auch Lehrer.«
»Dich haben sie doch auch gehen sehen«, erwidere ich.
Er stützt sich mit einem Ellbogen auf der Stufe hinter sich ab und lehnt sich zur Seite. »Darüber mache ich mir keine Sorgen. Ich hab schon öfter Ärger gekriegt.« Er lächelt spitzbübisch und kreuzt zwei Finger vor meiner Nase. »Der Direktor und ich sind so miteinander. Der Typ liebt mich, ehrlich!«
Ich muss lachen, es klingt rau und eingerostet.
Sein Grinsen gibt mir ein gutes Gefühl. Ich fühle mich frei, als müsse ich nicht vor allem Möglichen davonlaufen. Als könne ich hier in dieser Welt bleiben, solange er nur bei mir ist.
Gleichzeitig ist das ein beunruhigender Gedanke, denn ich kann Will nicht haben. Nicht wirklich. Alles, was er je für mich sein kann, ist ein vorübergehender Anker.
»Aber du machst dir Sorgen, dass ich Schwierigkeiten bekommen könnte?« Ich bemühe mich, nicht zu deutlich zu zeigen, wie sehr ich mich darüber freue. Tagelang habe ich es geschafft, ihn zu ignorieren, und nun sitze ich hier! Giere nach seiner Aufmerksamkeit wie ein vernachlässigtes Schoßhündchen. Mein nächster Satz klingt schärfer. »Was kümmert dich das? Immerhin haben wir in den letzten Tagen kaum ein Wort gewechselt.«
Sein Lächeln schwindet und er blickt ernst drein, übertrieben ernst. »Stimmt. Damit müssen wir unbedingt aufhören!«
Ich schlucke ein Lachen hinunter. »Geht nicht.«
»Warum?« Jetzt liegt kein scherzender Unterton mehr in seinen Worten, kein verschmitzter Glanz in seinen Augen. »Du magst mich. Du willst mit mir zusammen sein.«
»Das habe ich nie gesagt.«
»Musstest du gar nicht.«
Ich hole tief Luft. »Lass das bitte.«
Nun sieht er mich durchdringend an, so intensiv – fast schon wütend. »Ich habe keine Freunde. Hast du erlebt, dass ich mit irgendjemandem rumhänge, außer mit meinen bescheuerten Cousins? Das hat seinen Grund. Ich lasse absichtlich niemanden an mich ran«, schleudert er mir entgegen. »Aber dann bist du aufgetaucht …«
Stirnrunzelnd schüttle ich den Kopf. In diesem Moment wird seine Miene wieder sanfter. Sein Blick wandert über mein Gesicht, wärmt mich von innen heraus. »Wer du auch bist, Jacinda, du bist jemand, den ich unbedingt in mein Leben lassen muss.«
Eine ganze Weile schweigt er, während er mich weiter auf diese eindringliche Art ansieht. Seine Nasenflügel beben und wieder ist es, als nähme er meine Witterung auf. Dann fährt er fort: »Irgendwie glaube ich, dich zu kennen. Vom ersten
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