Firelight 1 - Brennender Kuss (German Edition)
an ihm vorbei. »Ich vertraue dir.« Etwas in seinen Augen, seinem Gesicht, gibt mir das Gefühl, ihm glauben zu können. Und eine andere Wahl habe ich auch nicht.
»Das solltest du auch«, murmelt er. »Du kannst mir immer vertrauen.«
Als ich aus der Gasse trete, sehe ich, wie Mum und Tamra gerade die Pizzeria verlassen. Ein rascher Blick über die Schulter versichert mir, dass Cassian weg ist. Ein plötzlicher Windstoß lässt mich nach oben schauen, wo ein dunkler Schatten sich erhebt, sich immer höher in den Himmel schraubt und schließlich in der schwarzen Nacht verschwindet, so schnell wie sich auflösender Nebel.
Nur seine Stimme wispert noch in mir.
Du kannst mir immer vertrauen.
Ich hoffe, das stimmt.
Ich schrecke hoch, als kurz nach Beginn der fünften Stunde außerplanmäßig die Klingel schrillt. Verdutzt sehe ich mich um, während die gesamte Klasse sich von ihren Plätzen erhebt und all ihr Hab und Gut zurücklässt.
»Was ist denn los?«, frage ich ein Mädchen neben mir.
Sie verdreht die Augen. »Lebst du hinterm Mond? Hast du denn die Ankündigungen nicht mitbekommen? Die von heute – und dem Rest der Woche?«
Ich schüttle den Kopf. Ich bekomme zwar mit, dass die Stimme des Direktors jeden Morgen durch die Sprechanlage tönt und die neuesten Schulnachrichten verkündet, aber selbst jetzt, nach einem Monat hier drinnen, schenke ich dem Ganzen noch immer keine wesentliche Beachtung.
Nach einem Monat hier drinnen. Ich denke schon wie ein Gefängnisinsasse – ein Knastbruder, der die Tage zählt, die er noch abzusitzen hat.
Ich muss an Cassian denken. Kein Auge habe ich zugetan, seit seinem dramatischen Auftritt in dieser Gasse. Der Gedanke, dass er in der Nähe sein könnte, nahe genug, um mich heimzuholen, falls mir alles zu viel werden könnte, ist verlockend. Falls ich es hier nicht mehr ertragen kann. Es fühlt sich gut an, einen Fluchtplan zu haben.
»Wir haben eine Schulversammlung, weil ein wichtiges Spiel ansteht«, erklärt das Mädchen.
»Ach so.« Ich starre auf meinen Tisch und überlege, ob ich wohl einfach hierbleiben könnte.
»Es ist eine Pflichtveranstaltung«, fährt sie mich an.
»Ach so«, wiederhole ich.
Sie wirft mir einen genervten Blick zu. »Ein bisschen Begeisterung und Gemeinschaftsgefühl würden nicht schaden. Immerhin hat es unser Baseballteam in die Playoffs geschafft!«
Ich nicke, als wüsste ich das bereits – und als ob mir klar wäre, was für ein enorm großartiges Ereignis das ist. Dabei denke ich eigentlich längst voraus und mache mich auf diese Versammlung gefasst. Hoffentlich findet sie im Freien statt.
Beim Gedanken daran, mit über sechshundert Schülern in einen Raum gepfercht zu sein, wird mir ganz schlecht. Der Sportunterricht in der Turnhalle mit sechzig Schülern war schon schlimm genug. Seufzend stehe ich auf und schließe mich allen anderen an, die hinaus auf den Flur strömen.
Nichts läuft je nach Plan, denke ich, während die gesamte Schülerschaft samt Lehrern hinunter in die Turnhalle stürmt, die ursprünglich mal für die wesentlich kleinere Belegschaft von vor über siebzig Jahren konstruiert worden ist.
Das tiefe Dröhnen einer Trommel lässt den alten Holzboden erzittern, die Vibration wandert über meine Beine bis in meine Brust, wo sie unangenehm widerhallt.
Als ich durch die Flügeltüren ins Innere trete und all die überdrehten Teenager sehe, die sich dicht an dicht auf der Tribüne drängen, beginnt mein Magen zu schmerzen. Am anderen Ende der Turnhalle hat sich das Schulorchester eingefunden, dessen Mitglieder allesamt dunkelrote Uniformen mit steifen Kragen tragen. Sie schwingen und spielen ihre Instrumente, als hätten sie Spaß daran, während ihre aufgedunsenen roten Gesichter, die vor Schweiß glänzen, eine ganz andere Geschichte erzählen.
Auch mir rinnt der Schweiß über den Rücken. Hier drinnen ist es noch viel heißer als draußen. Meine Poren öffnen sich weit, lechzen nach kühlerer Luft, atmen aber nur die stickigen Ausdünstungen von zu vielen Menschen auf zu engem Raum. Mehrere Schüler drängeln sich an mir vorbei.
»Nicht einschlafen!«, grunzt ein Mädchen, als sie mich anrempelt.
Ein Meer aus Körpern reißt mich mit sich und trägt mich viel weiter ins Innere der Turnhalle, als mir lieb ist. Ich versuche verzweifelt, mich umzudrehen, und halte Ausschau nach einer Tür oder nach jemandem, den ich kenne. Nach irgendjemandem, völlig egal wer, an den ich mich in dieser schwitzenden Masse
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