Firelight 1 - Brennender Kuss (German Edition)
Brise inmitten der quälenden Hitze, die mich trösten könnte.
Doch da ist nichts. Kein Trost.
Tamra redet weiter: »Aber ihm ist völlig egal, wer du bist – er fährt nur ab auf das, was du bist. Die Erstgeborenen sind die Gewinner, sie gewinnen alles – jeden. Sogar Dad! Ihr zwei wart von Anfang an eine verschworene Gemeinschaft.« Sie atmet scharf ein.
»Willst du mir wehtun?«, fahre ich sie an. »Nichts davon kann ich ändern! Ich konnte es nie und kann es auch jetzt nicht!«
Lange schweigt sie. Als sie schließlich wieder ansetzt, ist ihre Stimme weicher: »Kannst du nicht wenigstens versuchen, dich einzugewöhnen, Jacinda? Warum machst du es uns beiden so schwer?« Das aggressive Funkeln in ihren Bernsteinaugen lässt nach, und wenn mir auch klar ist, dass sie sauer auf mich ist, hasst sie mich zumindest nicht. Wenigstens will sie es nicht.
Ich schüttle den Kopf, weil ich nicht weiß, was ich darauf erwidern soll. Ich weiß, dass sie die Wahrheit nicht hören will, weil sie ihr nicht gefällt. Sie will nicht erfahren, dass ich es bereits versucht habe. Für mich geht es nicht darum zu entscheiden, ob es mir hier gefällt oder nicht, weil ich darauf schlicht und ergreifend keinen Einfluss habe. Und warum spielt es überhaupt noch eine Rolle? Ich werde ohnehin nicht mehr lange hier sein. Aber das kann ich natürlich noch viel weniger zugeben.
Schließlich klettern wir ins Auto, Tamra auf den Beifahrersitz und ich auf die Rückbank.
»Hey! Na, wie war’s in der Schule?«, fragt Mum. »Hatten meine Mädels einen schönen Tag?«
Tamra schweigt und ich sage auch nichts. Spannung liegt in der Luft. Während Mum sich einen Weg vom Parkplatz bahnt, schaut sie mit gerunzelter Stirn zwischen uns beiden hin und her. »So schlimm also. Was ist denn passiert? Wollt ihr es mir nicht erzählen?«
Tamra schnappt nach Luft.
Mit angehaltenem Atem warte ich ab, ob sie vielleicht etwas über die Veranstaltung sagt und von mir und Will erzählt. Als sie nichts erwidert, atme ich erleichtert aus. Anscheinend will sie wirklich unbedingt hierbleiben. Oder vielleicht tut es ihr auch schon wieder leid, dass sie so in die Luft gegangen ist. Wenn es darum geht, Gefühle zu verbergen und herunterzuschlucken, ist sie eine wahre Meisterin. So wie ich sie kenne, bereut sie bereits, so emotional geworden zu sein.
Ob sie wohl den Mund aufmachen würde, wenn sie die ganze Wahrheit kennen würde? Wenn sie wüsste, wer Will wirklich ist – würde es einen Unterschied machen? Vermutlich nicht. Ausnahmsweise ist sie einmal nur darauf aus, das zu bekommen, was sie will, und das kann ich ihr nicht verdenken. Sie hat jedes Recht dazu. Bisher ist Tamra immer zu kurz gekommen und ich hatte schon immer ein schlechtes Gewissen deswegen. Damals wie heute.
Aber ich fühle mich nicht schuldig genug, um mich selbst aufzugeben. Ich kann nicht zusehen, wie mein Draki zu einem Geist wird, wenn ich weiter tatenlos hierbleibe. Außerdem fällt es mir leicht, meine Entscheidung zu rechtfertigen: Wenn ich gehe, dann wird sie frei sein. Sie beide, Tamra und Mum, werden frei sein. Eine traurige Einsicht ist das – zu wissen, dass die Menschen, die man liebt, ohne einen besser dran sind.
»Jacinda?«, hakt Mum nach.
»Bestens«, schwindle ich. »Ich hatte einen tollen Tag!«
Schließlich will keiner von beiden etwas anderes hören.
20
A ls Mum die Bombe platzen lässt, sind wir schon fast zu Hause angekommen.
»Morgen reise ich ab.«
Einen Augenblick bin ich total verdattert und glaube schon, wir reisen morgen ab. Dann fällt es mir wieder ein. Sie will einen der Steine verkaufen, den glühenden Bernstein! Das gefrorene Feuer.
Ich beuge mich vor, um ihr Gesicht sehen zu können und mich davon zu überzeugen, dass sie es wirklich ernst meint.
Wie kann sie das nur tun? Wie kann sie so tun, als würde sie damit nicht ein Stück unserer Familie, unserer Geschichte forttragen, um es an jemanden zu verscherbeln, der es lediglich für einen Brocken Fels hält? Wertvoll, aber ohne Leben. Tot.
»Gleich morgen früh. Ihr müsst also mit dem Bus zur Schule fahren, aber ich will rechtzeitig wieder zurück sein, um euch Freitagnachmittag abzuholen. Ich hab Mrs Hennessey schon Bescheid gesagt und sie wird ab und an nach euch sehen.«
Ein ungutes Gefühl meldet sich in meinem Bauch, eine furchtbare Ahnung … So wie damals, vor vielen Jahren, als Severin vor unserer Tür stand, um uns mitzuteilen, dass Dad vermisst wird.
»Mrs Hennessey?« Tamra
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