Firelight 2 - Flammende Träne (German Edition)
noch, weil ich Will immer noch liebe, nachdem ich sein Blut gesehen habe. Wie kann ich Cassian nur klarmachen, dass Will nicht der Böse in diesem Film ist? Er ist nur Opfer seiner Herkunft. Die Bluttransfusionen wurden ihm ungefragt gegeben, als er krank war. Aber machen meine Erklärungsversuche überhaupt einen Unterschied? Ich werde ihn sowieso nie wiedersehen.
In der Stille höre ich die gedämpften Stimmen unserer Eltern. Ihre Unterhaltung klingt hitzig.
»Was hast du denn nun deinem Vater erzählt?« Ich rutsche von meinem Bett herunter, wobei mir überhaupt erst bewusst wird, dass ich mich auf meinem Bett befinde … dass er mir so nah ist und drohend über mir türmt. Er bleibt einfach stehen und ich muss mich an ihm vorbeizwängen, um zu dem dick gepolsterten Sessel neben dem Fenster zu gelangen.
»Ich schätze mal, du willst wissen, ob ich ihnen erzählt habe, dass du dich vor Menschen verwandelt hast?« Sein Blick durchbohrt mich förmlich. »Vor Jägern?«
Ich zucke innerlich zusammen, versuche aber, mir nichts anmerken zu lassen. Aus seinem Mund klingt es sogar noch schlimmer. Ich wünschte, ich könnte es abstreiten.
»Ja. Genau das.« Ich mache es mir in dem Sessel neben dem Fenster bequem und tue so, als ob mich das alles eigentlich nicht weiter berührte. Ganz besonders er nicht – er, der hier in meinem Schlafzimmer steht und mich auf diese glühende, eindringliche Weise ansieht, die an meiner Lunge zerrt und sie zusammenpresst. »Hast du deinem Vater davon erzählt?«
Dass ich das Einzige getan habe, was uns alle vernichten könnte. Nicht nur das Rudel, sondern unsere ganze Art.
Sein Blick gleitet über mich hinweg und lässt nichts aus.
Die zerzausten Haare, die über meine Schultern fallen. Die nackten Füße, die unter meinen übereinandergeschlagenen Beinen hervorschauen. Wenn er ihnen erzählt hat, was passiert ist, wenn er ihnen wirklich alles erzählt hat, wie können sie mich dann nicht bestrafen? Sogar ein Teil von mir selbst ist der Meinung, dass ich es verdient habe. Ich habe meine eigenen Artgenossen verraten.
Nicht, dass ich irgendetwas anders machen würde, sogar wenn ich die Wahl hätte. So viel ist mir bewusst. Es ist ein seltsames Gefühl. Dass ich mich schuldig fühle, bedeutet nicht, dass ich irgendetwas bereue. Der Schmerz in meinem Herzen, den Wills Verlust verursacht, ist stärker als alle Schuldgefühle. Ich kann mir nicht vorstellen, wie groß der Schmerz sein würde, wenn ich ihn nicht gerettet hätte. Wenn er dort in der Wüste wirklich gestorben wäre.
Endlich beantwortet Cassian meine Frage. »Ich konnte ihnen das nicht vorenthalten, Jacinda. Das nicht. Es geht uns alle an.«
Ich lasse mich ein wenig tiefer in die Polster sinken. Fast so, als wäre ich enttäuscht von ihm. Ich weiß nicht genau, warum. Obwohl wir befreundet sind, erwarte ich nicht, dass er mir gegenüber loyal ist. Bei Cassian steht das Rudel immer an erster Stelle. Aber Tamra hat den Jägern schließlich das Gedächtnis vernebelt. Sie werden sich an nichts erinnern. Konnte er denn nicht einfach Stillschweigen darüber bewahren? Wäre das so schlimm gewesen?
Eine eiskalte Woge an Hoffnungslosigkeit schwappt über mich hinweg. Fast habe ich geglaubt, dass ich ihm etwas bedeute, dass er mich beschützen wird. So wie er es versprochen hat. Stattdessen hat er mich den wilden Tieren zum Fraß vorgeworfen.
»Ich musste ihnen sagen, dass du dich Jägern gegenüber zu erkennen gegeben hast, aber ich habe ihnen nicht alles erzählt. Ich habe ihnen nichts von ihm erzählt.«
Ich bleibe cool und starre geradeaus. Dann spreche ich das Wort aus, das er nicht über die Lippen bringt. »Du meinst Will?«
Plötzlich geschieht etwas mit seinem Gesicht. Eine Sekunde lang zittern seine Pupillen, schrumpfen und sind auf einmal nur noch Schlitze. Dann nichts. Dann ist er sofort wieder derselbe beherrschte Cassian wie immer. »Ja. Ich habe ihnen nichts von dem Blut erzählt.«
Das liefert mich einer Flut hilfloser Schamgefühle aus, die in meinem Inneren aufbrandet. Wills Blut.
Das Blut, das dieselbe Farbe hat wie meines. Ich nicke.
»Wenn sie davon wüssten, würden sie ihn zur Strecke bringen. Ich schätze mal, du hast was gut bei mir.«
»Du bist nicht in ihn verliebt«, sagt er so plötzlich und mit solchem Nachdruck, dass ich aufschrecke. »Du kennst ihn ja nicht einmal. Und er kennt dich nicht. Nicht so wie ich.« Seine Brust hebt und senkt sich im Rhythmus seiner stoßartigen Atemzüge.
Darauf
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