Firelight 2 - Flammende Träne (German Edition)
einfach verdienst? Warum muss das Rudel bei dir immer an erster Stelle stehen? Über dem Leben des Einzelnen? Gibt es bei dir überhaupt eine Grenze? Einen zu opfern, kannst du noch irgendwie rechtfertigen, aber was, wenn es zwei sind? Oder drei? Wann reicht es dir?« Ich schüttle den Kopf.
Cassian starrt mich an. »So läuft das bei uns eben. Auf diese Art und Weise haben wir es geschafft, so lange zu überleben. Allein die Tatsache, dass du das überhaupt infrage stellst, im Gegensatz zu allen anderen …« Er legt den Kopf schief. »Aber vielleicht macht dich gerade das so besonders. Vielleicht ist gerade das der Grund dafür, dass ich hier stehe und mit dir spreche. Der Grund dafür, dass du mir überhaupt etwas bedeutest.«
Ich schlucke gegen die Enge in meiner Kehle an und halte seinem Blick stand. »Das bedeutet also …« Ich suche nach dem richtigen Wort, nach einem Wort, das nicht dazu führt, dass mein Gesicht wie Feuer brennt, und entscheide mich für: »… dass du mich magst , weil ich jemand bin, der uns alle in Gefahr bringt?«
Jetzt umspielt wieder dieses seltene Lächeln seine Mundwinkel. »Begriffsstutzig bist du nicht, das steht schon mal fest.«
»Cassian.«
Ich schrecke auf, als Severin höchstpersönlich in mein Zimmer kommt und sich neben Cassian stellt. Beide auf einmal, in meinem Zimmer. Das hätte ich mir wirklich nie träumen lassen. Cassian ist eine Sache, Severin eine ganz andere.
Mum bleibt hinter Severin zurück und ihr Gesichtsausdruck wirkt trotzig. Ich vermute, dass ihr das Ergebnis der Unterhaltung nicht besonders geschmeckt hat, was auch immer es war.
»Wir sind hier fertig, Cassian.«
Severins Augen ruhen auf mir. Ich spüre, wie ich innerlich ganz klein werde. Aber ich zeige es nicht. Ich zwinge mich dazu, seinem starren Blick standzuhalten und so zu tun, als ob ich keine Missbilligung verdiene und mich nicht seinetwegen schwach und zittrig fühle.
Severin winkt Cassian zur Tür. »Warte draußen auf mich.« Cassian wirft mir einen langen Blick zu und verschwindet dann.
Mum macht ein paar Schritte auf uns zu und hat ihre dünnen Arme vor der Brust verschränkt. Sie hat abgenommen. Ich frage mich, wie mir das entgehen konnte. Vorher hatte sie immer Kurven.
Severin sieht sie mit kaltem Blick an. »Ich möchte mich gerne mit Jacinda unterhalten.«
»Dann wirst du das in meiner Gegenwart tun müssen.«
Severins Lippen ziehen sich über seine knochenweißen Zähne. »Du hast bereits bewiesen, dass du ein Beispiel für eine Mutter mit zweifelhaften Erziehungsmethoden bist, Zara. Du brauchst jetzt nicht so zu tun, als würde dir deine Tochter auf einmal etwas bedeuten.«
Ein leidgeprüfter Ausdruck huscht über das Gesicht meiner Mutter, bevor sie es schafft, ihn zu überspielen, doch die Blässe ist noch immer da und lässt ihre Augen herausstechen wie riesige leuchtende Seen.
Seit Dad getötet wurde, sind Tamra und ich alles, was sie hat. Jede Entscheidung, die sie trifft, ist nur zu unserem Besten … was ihrer Meinung nach unser Bestes ist. Sie hat vielleicht ein paar Fehler gemacht, doch ich habe niemals infrage gestellt, dass sie mich liebt.
Ein kurzes Sieden in meinem Inneren verwandelt sich in ein überschäumendes Brodeln. »Sprich nicht so mit meiner Mutter«, warne ich ihn.
Severin blickt wieder zurück zu mir, sieht auf mich herunter, als wäre ich ein kleiner Haufen Dreck zu seinen Füßen. »Pass auf, was du sagst, Jacinda. Deine Vergehen werden dir verziehen, das hast du Cassian zu verdanken. Wenn es nach mir gegangen wäre, wärst du bestraft worden –« Er blickt wieder zu Mum. »Und du verbannt.«
»Tu mir bloß keinen Gefallen«, schnauze ich zurück, nicht imstande, mich Severin gegenüber reumütig zu zeigen.
»Jacinda«, sagt Mum leise und fasst mit kühlen Fingern nach meinem Arm.
Severins Miene verhärtet sich. »Nimm dir meine Worte zu Herzen. Du bewegst dich auf sehr dünnem Eis, Jacinda. Ich erwarte von dir ab sofort tadelloses Benehmen …« Er bringt den Satz nicht zu Ende, doch die Drohung schwebt greifbar in der Luft. Ich kann ihn die Worte fast sagen hören: »Sonst stutzen wir dir die Flügel . «
Ich weigere mich, ihm zu zeigen, dass mich das einschüchtert – dass die Drohung ihre Wirkung nicht verfehlt hat, dass sich meine Haut angespannt hat und Hitze in mir hochgestiegen ist wie eine sich windende Schlange, die nach einem Ausweg sucht.
»Sie wird keine Schwierigkeiten machen«, sagt Mum in einem Tonfall, den ich noch
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