Firelight 2 - Flammende Träne (German Edition)
folgt betretenes Schweigen. Eine Spannung liegt in der Luft, die so dicht und greifbar ist wie Nidias Nebel, der von außen gegen mein Fenster drückt. Ich starre hinunter auf meine Hände und bemerke die winzigen Halbmonde, die ich mit meinen Nägeln in die Haut gegraben habe, ohne es zu bemerken.
Er stößt einen tiefen Seufzer aus. »Sieh mich an, Jacinda. Sag was.«
Ich zwinge mich dazu, ihm wieder in die Augen zu sehen. Erwartet er etwa von mir, dass ich ihm zustimme und sage, dass ich Will nicht liebe? Fest entschlossen, meine Gefühle für Will nicht zur Diskussion zu stellen, sage ich: »Tamra hat die Erinnerungen der Jäger gelöscht. Warum musstest du den Älteren überhaupt irgendetwas erzählen? Sie sehen mich an, als ob ich eine Verbrecherin wäre.« Ich wedle mit einem Arm in der Luft herum. »Ich stehe praktisch unter Hausarrest! Sie werden mir nie verzeihen.«
»Ich musste es ihnen sagen. Was, wenn auch nur einer dieser Jäger sich irgendwann doch erinnert? Tamra kann ihre Fähigkeiten noch nicht richtig einsetzen. Was, wenn es nicht anhält? Was, wenn sie nicht genug Erinnerungen gelöscht hat?«
Ich nicke und die Bewegung schmerzt irgendwie, fast so sehr wie die bedrückende Enge in meiner Brust. »Ich verstehe. Schon okay.«
»Ganz offensichtlich ist es nicht okay. Du bist sauer.«
Ich lege eine Hand auf meine Brust. »Wärst du das an meiner Stelle nicht auch, Cassian? Ich werde für den Rest meines Lebens wie eine Verräterin behandelt werden.«
Er schüttelt langsam den Kopf und ein Muskel seines Kiefers spannt sich an. »Sie werden vergeben und vergessen. Irgendwann.«
»Das kannst du doch gar nicht wissen.«
Er hat gesagt, dass er alles in seiner Macht Stehende tun wird, um mich zu beschützen, aber sogar ich weiß, dass er diese Situation nicht komplett unter Kontrolle hat.
»Dass Tamra wieder hier ist und dass sie eine Wächterin ist, hat sie sehr besänftigt. Dass ihr beide zurück seid.«
Sogar nachdem er ihnen erzählt hat, was ich getan habe? Ich starre ihn zweifelnd an und ziehe es vor, weiterhin auf der Hut zu bleiben. »Dann stecke ich also nicht in Schwierigkeiten?«
»Das habe ich nicht gesagt.« Bei diesen Worten hellt sich seine Miene auf. Der Hauch eines Lächelns umspielt seine Mundwinkel. »Du hast dich immerhin vor einem Menschen verwandelt, Jacinda. Und vor seiner Jägerfamilie.«
Und dafür muss ich bezahlen. Ich sehe es ein und nicke.
»Du hast einiges wiedergutzumachen«, fügt er hinzu, jetzt wieder vollkommen ernst.
»Und was, wenn ich das nicht kann?« Ich bin nicht sicher, dass ich dazu fähig bin, mich noch irgendjemandem gegenüber zu beweisen. Momentan zerreißt mich der Gedanke, Will nie wiederzusehen, und ich fühle mich unheimlich müde und ausgelaugt. Auch wenn ein Teil von mir erleichtert ist, wieder zurück im Rudel zu sein, befinde ich mich nicht gerade in der besten Verfassung, um mich bei jemandem einzuschmeicheln.
»Dann wird es schwierig für dich. Schwieriger, als es sein müsste. Und deine Mutter …« Seine Stimme verstummt, aber die Drohung schwebt weiterhin in der Luft.
Meine Augen verengen sich zu Schlitzen und meine Haut spannt sich an und kribbelt. »Was ist mit meiner Mutter?«
Er wirft einen Blick über die Schulter, ganz so, als könne er sie sehen – ganz egal, wo im Haus sie sich auch gerade aufhalten mag. »Sie haben kein Mitgefühl ihr gegenüber. Sie machen sie dafür verantwortlich, dass sie dich und Tamra mitgenommen hat. Es wird überlegt, sie zu verbannen.«
Ich atme tief ein. »Das ist nicht fair, Cassian! Ich bin diejenige, die –«
»Sie hat dich mitgenommen. Du bist nicht allein von hier weggegangen. Komm schon, Jacinda. Wäre irgendetwas von alldem wirklich passiert, wenn deine Mutter dich nicht mit in diese Wüste geschleppt hätte?«
Ich schlucke schwer und schaue wieder aus dem Fenster. Ich hasse es, dass ich ihm in diesem Punkt nicht widersprechen kann. Hasse es, dass mir seine Argumentation einleuchtet, so grausam sie auch ist.
»Niemand ist völlig unabhängig. Denk mal darüber nach. Was eine Einzelperson tut, hat immer auch Auswirkungen auf alle anderen.«
Vermutlich bin ich genau in diesem Punkt anders als die anderen. Und deshalb habe ich uns alle in Gefahr gebracht.
Ich wische mir leicht über den Mund und sage durch meine Finger hindurch: »Hast du nicht ab und zu die Schnauze voll davon? Willst du denn nie einfach mal das haben können, was du willst? Denkst du nicht, dass du das ab und zu
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