Firelight 2 - Flammende Träne (German Edition)
zurück zu dem kalten Druck des stählernen Schneidewerkzeugs auf meinen Flügeln. Die Erinnerung daran hallt in mir nach und ich kann meine Angst regelrecht schmecken, als würde ich mich wieder dort oben auf diesem Block befinden. Hat sie das etwa vergessen?
Ihre Lippen verziehen sich zu einem bitteren Grinsen und sie fügt hinzu: »Na, das ist doch bestimmt gemütlich.«
»Das ist es nicht …« Ich befeuchte meine Lippen. »Es ist nicht so, wie du denkst.«
Ihr Blick bohrt sich in mich hinein und ich zupfe am Rand der zerwühlten Bettdecke herum. Ich weiß, dass ich meine Worte jetzt sorgfältig wählen muss. Ich kann die Frage in ihren Augen lesen: Und wie ist es dann?
»Er hat nichts … also, ich meine, wir haben nichts … Unwiderrufliches getan.«
Sie wirkt erstaunt. »Ach nein? Ich dachte, er wäre total heiß darauf –«
»Na ja, ich aber nicht.« Ich bin auf niemanden heiß, außer auf Will.
»Klar doch.« Und ich weiß, was sie denkt und weshalb so viel Spott in ihrer Stimme liegt. Sie erinnert sich an diesen Moment, als sie uns neulich überrascht hat. Wie nah wir beieinandergestanden haben. Cassian hatte seine Hand an meiner Wange. Und sie weiß noch nicht einmal, dass wir uns tatsächlich geküsst haben. Schuldgefühle steigen in mir auf.
Ich verschränke die Arme vor der Brust. »Er schläft in dem einen Zimmer, ich in dem anderen, und das wird auch so bleiben, bis du und ich von hier verschwinden.«
Sie wendet den Blick ab und starrt auf die efeubewachsene Wand vor ihrem Schlafzimmerfenster. Keine besonders tolle Aussicht. »Wie wollen wir denn an dem Wachposten am Tor vorbeikommen?«
So weit hatte ich noch gar nicht gedacht. Ich war zu sehr damit beschäftigt gewesen, mir Sorgen darüber zu machen, ob Tamra wohl mit mir zusammen weglaufen würde oder nicht.
Aber dann fällt mir ein, was wir tun können. »Wir müssen ihn ablenken«, murmle ich.
»Und womit?«
»Nicht womit. Mit wem .«
26
A z’ Lachen dringt durch die Luft wie ein sanftes Glockenklingen. Tamra und ich haben uns hinter Nidias Haus versteckt, sodass wir von der Straße aus nicht zu sehen sind, und warten gespannt.
Als das Geräusch plötzlich ausbleibt, setzen wir uns in Bewegung und spähen gemeinsam um die Hausecke. Und natürlich knutscht sie gerade mit dem fünfzehnjährigen Remy herum. Der Junge klebt an Az wie Pech. Seine Hände haben ihren Rücken so fest umklammert, als befürchtete er, dass ihm das ältere Mädchen sonst entgleiten könnte.
Wir schultern unsere Rucksäcke und schleichen uns an ihnen vorbei zum Tor hinaus. Ich werfe einen Blick zurück über die Schulter. Az beobachtet uns und drängt uns mit weit aufgerissenen Augen weiterzugehen, auch wenn sie traurig darüber ist, uns zu verlieren.
Ich winke ihr kurz zum Abschied zu und renne dann los. Mein Atem kommt in heißen Stößen aus meinem Mund und ich bin darauf gefasst, jeden Moment die Sirene losgehen zu hören. Ich warte darauf, dass Drakis aus der Siedlung strömen und uns wieder einfangen.
In dem Fall würden mich drakonische Strafen erwarten. Ich bezweifle, dass es diesmal beim Stutzen meiner Flügel bleiben würde. Severins Zorn wird umso stärker sein, weil ich Tamra mitgenommen habe … und dem Rudel damit seine nächste Wächterin verloren gegangen ist.
Das Rudel – Severin – würde erfahren, dass ich meine Ehe mit Cassian nicht in Ehren gehalten habe, dafür würde Corbin schon sorgen. Ein Schauer läuft mir über den Rücken und ich werfe meiner Schwester einen Blick zu.
Sie erwidert meinen Blick und lächelt mir kurz zu, als wir auf unserer Flucht gleichzeitig über einen auf dem Boden liegenden Baumstamm springen. Das fühlt sich gut an. Das hier gemeinsam durchzuziehen. Schade nur, dass es so eine Katastrophe sein muss, die uns zusammenbringt.
Unsere Füße treffen sanft auf der feuchten Erde auf. Wir durchschneiden den wallenden Nebel und schlängeln uns zwischen vertrauten Bäumen hindurch.
Ich laufe vor Tamra her, weil ich erpicht darauf bin, das Rudel so schnell wie möglich hinter mir zu lassen, und es kaum erwarten kann, endlich Will zu sehen.
Ich spüre ihn, noch bevor ich ihn sehe.
Noch bevor ich zwischen den Bäumen hervor auf die Lichtung trete, weiß ich, dass er da ist. Die plötzliche Anspannung in meiner Haut und die flatternde Hitze in meinem Rachen verraten seine Anwesenheit.
Und dann sehe ich ihn endlich.
Keuchend bleibe ich stehen und verschlinge ihn mit den Augen. Er erwidert meinen intensiven
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