Firelight 3 - Leuchtendes Herz (German Edition)
auf und ich komme halb über ihm, halb auf dem Boden zum Liegen. Ich drücke mich mit den Handballen hoch und versuche dabei, nicht an den Pfeil zu stoßen.
Ich blicke hinunter auf den Jungen, mit dem ich aufgewachsen bin. Ganz gleich, was aus uns geworden ist, er ist schon seit Kindertagen ein Teil meines Lebens gewesen. Sein Gesicht verzieht sich vor Schmerz, seine zerfurchte Nase bläht sich in rascher Folge … er scheint nicht schnell genug Luft zu bekommen. Das wünsche ich noch nicht einmal ihm.
»Corbin«, sage ich, bekomme aber fast nur ein Schluchzen heraus. Ich schlage eine Hand vor den Mund und ersticke das Geräusch.
Noch ist er am Leben, und wenn er es zurück zum Rudel schafft, dann kommt er vielleicht durch. Fest entschlossen beiße ich die Zähne zusammen. Ich darf nicht zulassen, dass sie ihn umbringen. So verrückt und egoistisch er auch gewesen ist, ich glaube, jetzt gerade hat er versucht, mich zu retten. Und hat dafür einen Pfeil in der Brust geerntet.
Die Jäger stürzen durch die Bäume auf uns zu und haben ihre Waffen auf uns gerichtet.
Will ruft ihnen zu, dass sie stehen bleiben sollen, und stellt sich ihnen winkend entgegen. »Ihr werdet noch aus Versehen sie erwischen!« Er greift einen der Jäger an, bevor er die Waffe anlegen und in unsere Richtung zielen kann.
Angus löst sich von der Gruppe, zieht ein Messer aus seinem Gurt heraus und ich weiß, dass er vorhat, damit auf Corbin loszugehen. Ihm den Garaus zu machen. Mit lautem Gebrüll hebt er es hoch in die Luft.
Mein Blick schießt zu Corbin, der wehrlos am Boden liegt.
Seine Augen sind vor Schmerz weit aufgerissen. In seinem Gesicht liegt jetzt nicht mehr die übliche bittere Verachtung. Stattdessen wirkt er einfach nur sehr jung und verängstigt. Wie der Junge, mit dem ich zur Grundschule gegangen bin und der immer gestottert hat, wenn er aufgerufen wurde.
Meine Gedanken rasen. Er ist groß und breit; mich schützend vor ihn zu stellen, wird nicht viel helfen. Ich kann nur … das tun.
Diesen besonderen Teil von mir einsetzen.
Meine Hand gleitet von Corbin herunter, ich stehe mit einem Ruck auf und stelle mich direkt vor ihn. Und mache mich darauf gefasst, was jetzt kommt. Was ich gleich tun werde.
22
E inen Augenblick lang scheint die Welt stillzustehen. Irgendjemand scheint für den Rest der Welt auf Pause gedrückt zu haben, nur nicht für mich.
Ich lege den Kopf schief und beobachte all die erstarrten Gestalten, die erstarrten Gesichter, die mitten in der Bewegung erstarrten Körper. Ich starre sie an und nehme alles mit einer unheimlichen Ruhe in mich auf.
Und dann bewegen wir uns alle wieder, allerdings wie in Zeitlupe. Wie unter Wasser kämpfen wir gegen die Flüssigkeit um uns herum an und versuchen verzweifelt, uns in Bewegung zu setzen. Die Schreie, Wills Rufe nach mir – das alles dringt wie aus weiter Ferne an mich heran.
Angus’ Haare stechen grell hervor, als er immer näher auf mich zukommt. Sie wirken fast wie eine Fackel, die sich gleich auf mich stürzen wird. Ich bin mir der Ironie dessen wohl bewusst. Ich atme aus und strecke meine brennende Lunge.
Ich habe jetzt nichts mehr zu verbergen – das macht keinen Sinn mehr. Ich bin fest entschlossen, es erneut zu tun. Zu zeigen, was ich bin.
Seine gesamte Aufmerksamkeit ist auf Corbin gerichtet. Das feindliche wilde Tier.
Jetzt hat mich Angus fast erreicht.
Ich lasse einfach los. Meine Flügel schieben sich aus meinem Rücken heraus und zerreißen mit einem lauten Geräusch mein T-Shirt.
Meine Flügel befreien sich und breiten sich aus. Wie gefangene Vögel flattern die Hautsegel hin und her, gierig darauf, sich endlich in die Lüfte zu erheben. Hitze explodiert in meiner Brust und schießt in einem großen rotblauen Feuerball aus meinem Mund. Angus wird von der Wucht des Feuers, das ich ganz bewusst auf den Boden vor ihm speie, nach hinten geschleudert, sodass die Flammen ihn nur ein kleines bisschen versengen.
Ein paar Feuerzungen lecken an seinem rechten Arm. Kreischend klopft er sie aus. Einer seiner Kameraden stürzt sich auf ihn und rollt ihn auf dem Boden herum. Die anderen Jäger brauchen nicht mehr als ein paar Sekunden, um festzustellen, dass ich dafür verantwortlich bin. Jetzt sehen sie mich. Ihre Gesichter werden rot vor Wut und sie richten ihre Waffen auf mich.
Dampf quillt heiß von meinen Lippen, dringt aus meiner Nase und steigt in langsamen Kringeln in die Luft. Ich nicke Angus zu, der von anderen Jägern flankiert wird,
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