Firkin 04 - Hundstage
ein junges Mädchen, weiß vor Schreck, hereingestürmt kam.
»Beschreibe, wase due gesehene habene willste!« raunzte Putschino, der die Skepsis kaum aus seiner Stimme verbannen konnte. »Jede Einzelheite!«
Rosettchen schaute sich um und zappelte unter dem gestrengen Blick ihres Vaters. »Nun … Ich war auf dem Tort …«
»Nichte wo!« brüllte er. »Wase haste du gesehene?«
»Einen Drachen«, sagte sie, ihren Füßen zugewandt, und kam sich plötzlich zehn Jahre jünger vor.
Herr Murx richtete bei diesem Wort seine Ohren auf. Es war eine ammorettische Todesechse gewesen … Es mußte eine sein, denn Drachen waren ausgestorben. Aber trotzdem, die Vernichtung einer Todesechse war ein Schritt nach oben.
»Er war groß, grün und geschuppt, und Rauch kam aus seinem Mund, er war in einer Höhle und hat mich zu Tode erschreckt!« erwiderte Rosettchen. »Ein Drache!«
In Murxens Geist wirbelte bei dem Wort ›Rauch‹ alles durcheinander.
»Nun?« knurrte Putschino und musterte den Ritter mit einem feurigen Blick. »Gibte ese nune einene odere nichte?«
»Es könnte sein. Dem Klang nach ein Draco Imperialis. Das sind vielleicht Mistviecher!« Herrn Murxens Augen leuchteten auf. »Sie haben einen Dreißig-Fuß-Flammenradius, einen Schwanzwedelradius von neunzehn Fuß, und schleudern Steine …«
»Jae odere neine!« raunzte Putschino. Sein Gesicht rötete sich vor Verzweiflung, während die Ratte sich blaurot verfärbte.
»Ich müßte ihn sehen, um es zu bestätigen …«, setzte der Ritter an. »Ähm … Aber es klingt vielversprechend!« fügte er verlegen hinzu, als er sah, daß das Feuer der Wut mit ein paar weiteren Eimern Kohle gespeist wurde.
»Unde wenne jemande davone hörene würde? Menschenmassene?«
»Wie erhebend!« schrillte Herr Murx, und seine Gedanken rasten voraus zu der Unmenge, die sich erwartungsvoll auf dem Berg versammelte, während er die Bestie in seiner schönsten, glänzendsten Rüstung köderte. Der Ruhm! Die Ehre! »Alle müssen sofort davon erfahren! Laßt mich in Bälde einen Kurier zur Saurier-Gazette schicken. Die hat einen Tausend-Kröten-Preis für die Entdeckung eines Dachen ausgesetzt! Oh, die Publicity!«
»Nein!« schrie Kap Putschino, von einem würgenden Ächzen der Ratte begleitet. »Keine Publizziti!«
»Aber so was würde meiner Karriere wahnsinnigen Schub geben!«
»Wenne jemande davone erfährte, du haste keine Karriere mehre. Du haste danne nichte einmale mehre eine Lebene!« Putschino drehte sich zu seiner Tochter um. »Unde sonste weiße niemande vone dieseme … dieseme Drachene?«
»Nein … nein«, erwiderte sie und kreuzte die Finger hinter dem Rücken. Wenn ihr Vater herausfand, warum sie in der Nähe des Höhleneingangs am Tortellini gewesen war … Sie schüttelte sich. Rhomyoh würde dann nur noch im Falsett singen!
Putschino packte Fettu Tschinis Hemd, zog ihn herab und flüsterte ihm ins Ohr: »Bringe ihne da raufe, abere mite verbundene Augene! Ere solle dene Drachene erledigene. Danache erledigste du ihne! Die nächste Lieferunge iste fast fertige! Wenne wire sie verlierene, verlierene wire Millionene!«
Als Tschini Herrn Murx aus dem Raum zerrte, sprangen Putschinos Gedanken hinaus zu den wogenden Hektaren der fast reifen Mohnblumen an der Flanke des Tortellini.
Im gesamten murrhanischen Reich traten Sturmtruppen Bambustüren ein, rissen bemalte Papierwände nieder, schlitzten Reissäcke auf und kippten quäkende Säuglinge aus klapprigen Wiegen … Kurz gesagt, sie filzten alles. Wirklich alles. Hätte jemand an einem heißen Nachmittag mit einem dicken Knüppel in einem riesigen Ameisenhaufen herumgestochert – es hätte nicht mehr wimmelnde Aktivität gegeben.
Als Kaiserin Tau nach dem Kopf Cheiro Mancinis geschrien hatte, hatte sie es ernst gemeint. Wenn dies das murrhanische Volk stören sollte … Rübe runter! Das war ja gerade das Tolle, wenn man Oberboß einer Diktatur war – die öffentliche Meinung spielte keine Rolle. Absolut keine.
Tau stampfte in ihrem Palast auf und ab, knirschte mit den Zähnen und murmelte wütend vor sich hin, während sie ihr Lieblingskatana zu blitzender Schärfe wetzte. Jede der stündlich von zunehmend verschreckteren Kurieren abgelieferten Meldungen trug nur dazu bei, ihren Frust noch größer zu machen. Das einzige, was sie davon abhielt, jeden zu köpfen, der ihr unter die Augen trat, war die Tatsache, daß dann kein Publikum mehr für Mancinis Bestrafung übriggeblieben wäre.
Irgendwo
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