Firkin 04 - Hundstage
Tschini durch zusammengebissene Zähne. Er wagte sich nicht zu rühren, quäkender Terror nagelte ihn und sein Roß am Boden fest.
Der Drache tat einen Schritt vorwärts, und sein Grinsen wurde noch breiter. Sein Nasenloch stieß beiläufig und mit träger Boshaftigkeit eine Rauchwolke aus.
Das Wetter konnte seine Erregung kaum noch bezähmen. Mit einem Aufflackern zuckender Blitze öffnete sich der Himmel und schiffte saumäßig auf das Tal. Herr Murx fluchte laut über das brüllende Naß. Wie sollte er seinen Weg in die Legenden finden, wenn es jetzt auch noch schiffte? Es war unfair. Helden erlegten Drachen an wunderschönen sonnigen Nachmittagen, und zwar vor den Augen jubelnder Massen und lechzender Mägdeleyn. So, wie es jetzt war, war es nicht ausgemacht.
Trotzdem, dachte er, wenn ich den Kopf mitnehme, quengelt niemand mehr, wenn ich die doppelte Gage verlange. Er blickte das riesenhafte Geschöpf an, übersetzte die etwa neunzig Fuß hohe, grauenhaft bewaffnete, feuerspuckende Echse in einen Reisepaß in die Zukunft, und dort, wo ihre Schuppen waren, begannen Krötenscheine zu rotieren. Durch den giergefärbten Dunst war es ihm unmöglich, irgend etwas Ungewöhnliches daran zu erkennen, daß jeder einzelne Regentropfen einen Zoll vor der Schuppenhaut des Drachen innehielt und in einem kleinen Dampfwölkchen explodierte.
Herr Murx bemühte sich, so zu wirken, als wisse er genau, was er tat – ein schwacher Versuch, Fettu Tschini zu beeindrucken, da jeder Bruchteil seiner Aufmerksamkeit auf den riesigen grünen Gegner gerichtet war –, und schwang den Achter-Drachenzerhacker um den Kopf, da er die nötige Triebkraft brauchte, um den Hals es Ungeheuers sauber abzutrennen. Es würde nicht reichen, ihm ein Schwert in den Hals zu rammen (und es sah billig aus, einen Fuß auf den zuckenden Hals zu stellen, um es wieder herauszuziehen) – echte Helden erledigten es mit einem Hieb. Herr Murx schluckte und rannte vorwärts, herumwirbelnd und schreiend, wich einer Blume ausgespuckten Rauchs aus, und seine Klinge glänzte, als sie auf die riesige Ausdehnung des tödlichen reptilischen Halses zufuhr.
Und in dem Augenblick, da Herrn Murxens Schwert ohne den geringsten Widerstand und bei völliger Abwesenheit von Blut durch den projizierten empathischen Drachen schlitzte, ertönten zwei geheimnisvoll zischende Plopper. Ein Ruckeln kitzelnden Saphirblaus strömte durch das Schwert des Ritters, als er ahnungsloserweise den Aquaflektorschild des Geschöpfs zerschlug. Der Regen plätscherte durch den Drachen hindurch und klatschte schwer auf das unter ihm liegende Laub.
Dem zweiten zischenden Ploppen folgte das Erscheinen eines Wesens, das wie ein kreischender, aus einer Höhe von fünfzehn Fuß aus der Luft fallender Zwerg aussah. Schwere Stiefel knallten gegen Fettu Tschinis Schläfe und warfen ihn von seinem Roß. Der Besitzer der Schläfe überschlug sich und landete spuckend auf dem Boden. Der Ritter öffnete die Augen und schaute sich um – entsetzt vom Geschleime des zermatschten Drachen, den er seiner Meinung nach zu sehen bekommen würde. Er nahm überrascht zur Kenntnis, daß sein einstiger Arbeitgeber nicht mehr auf seinem Roß saß und sich in einen spuckenden, schmutzstarrenden Zwerg verwandelt hatte. Und noch schlimmer, der Drache war noch da. Nachdem sein Schwert sauber durch den Hals geschlagen hatte? Konnten Drachen ihren Kopf so schnell nachwachsen lassen? Und wenn ja, wo bewahrten sie ihr Gehirn auf?
Mehrere tausend Fuß über dem verwirrten Ritter quetschte sich ein einzelner Regentropfen aus einer Wolke und entsprang in die Freiheit der Lüfte: sie war aufgeregt vor Freude und beschleunigte im freien Fall.
Herr Murx schrie auf und erkannte blitzartig die Wahrheit: das vor ihm stehende Geschöpf war kein gewöhnlicher Drache. Kein normales, durchschnittliches, feuerspeiendes Vieh, dessen Beine fest auf der Ebene der Sterblichkeit standen. Es war ein magisches Geisterbiest, das Menschen in Sekundenschnelle in Zwerge verwandeln und sich von hinten an einen heranschleichen konnte, im Besitz der Macht, sich für eine bloße Millisekunde aus der Wirklichkeit auszuklinken, um Schwerthieben auszuweichen …
Der Regentropfen drehte sich, tollte erdwärts und genoß den Augenblick, als er mit einem heftigen Pflatsch auf die durchnäßte Scholle treffen würde. Doch im Nu klatschte er auf die glattsilberne Oberfläche von … Metall? Die Dinge haben sich seit dem letzten Mal geändert, dachte er baff.
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