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Firkin 04 - Hundstage

Firkin 04 - Hundstage

Titel: Firkin 04 - Hundstage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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schlammigen Fahrbahn, kreischte schrill, als er im letzten Moment herumriß und wenige Zoll über der von Soldatenstiefeln getretenen Oberfläche dahinschoß. Er wunderte sich über die messerscharfe Klarheit jedes einzelnen vorbeischießenden Fußabdrucks. Eine weggeworfene Nachrichtenbulle schoß in sein Blickfeld, ragte riesig vor seinen Augen auf, zerknittert und …
    Was tat er da? Was schaute er da an? Er war dermaßen in Trivialitäten und Einzelheiten versunken, daß er die Übersicht verlor – er sah vor lauter Füßen den Schlamm nicht mehr. Er zog die Wantze zehn Fuß hoch, ließ sie schweben und regte sich ab. Ironischerweise erlaubte ihm die zunehmende Höhe eine Rückkehr auf den Boden.
    Mit Schrecken wurde ihm klar, daß er es beinahe übersehen hätte. Hunderte soldatischer Fußabdrücke und eine Nachrichtenbulle. Sie war völlig unlesbar. Nicht etwa deshalb, weil man an mehreren Stellen daraufgetreten war, sondern aufgrund der Tatsache, daß sie in völlig fremden murrhanischen Buchstaben gedruckt war. Doch ein Bild zog Phlims Beachtung am meisten auf sich: die Impression eines Künstlers von einer Kaiserin mit einer Meute scheckiger Tiere, die eine Ansammlung von Drähten, Pentagrammen und Kristallen in der Hand hielt. Und daneben befand sich ein erkennbares Porträt Cheiro Mancinis mit dem unmißverständlichen Symbol des auf seinen Kopf ausgesetzten Geldes. Phlim setzte die Informationen zusammen. Versuchte es auch umgekehrt, wehrte dies und jenes ab und kam zu einem dritten Schluß. Erschreckenderweise wies auch dieser das gleiche makabre Klingeln auf. Das kaiserliche Heer von Murrha war in den Talpa-Bergen auf Achse und hatte die Absicht, Mancini allezumachen.
    Phlim quäkte heiser und wetzte aus dem Raum.
    Practz. Er mußte es Practz erzählen!
     
    Mehrere Dekaden zuvor, als überall ein Linguismuskrieg in der Luft gelegen hatte und Tausende von Bauern in Gefahr gewesen waren, zu Tode gebracht zu werden, weil sie Vokale falsch anwandten und böswillig Subversion des Imperfekts in der dritten Person betrieben, war der Großmagier Prof. Phyinmn schwer damit beschäftigt gewesen, die subtilste Verhörmethode aller Zeiten zu ersinnen.
    In akuten Krisenzeiten hörte man ihn durch die Gänge von Losa Llamas pirschen, wobei er Satzkonstruktionen jonglierte, die Adverbkoordination neu erfand und berauschende Verhöreuphemismuscocktails zusammenbraute, die in der Lage waren, auch dem reserviertesten aller zurückhaltenden Münder Geständnisse zu entsaugen. Auf dem Höhepunkt seines verbalen inquisitorischen Könnens platzten seine Kollegen in Losa Llamas sofort mit ihrer Lebensgeschichte heraus, wenn er simple Fragen stellte, bei denen es um – sagen wir mal – eine Tasse Tee ging. Oder sie brachen in Tränenfluten aus, wenn er sie nach der Eieruhrzeit fragte. Seine Fragfertigkeit war so scharf, daß sogar gerüchtet wurde, Prof. Phyinmn könne den am festesten verschlossenen und verrammelten Geldschrank allein mit der Zunge öffnen.
    Es war eine beträchtliche Schande, daß Rutger ihm nie begegnet war.
    »Ähm … biste öfter hier?« fragte er einen Zwerg, der freudig und mit quietschvergnügter Zielstrebigkeit sowie einer sehr großen Spitzhacke an solidem Granit herumhackte. Seine roten Bartsträhnen und sein feuerrotes Haar sträubten sich in alle Richtungen von ihm fort.
    »Was ist deine Lieblingsfarbe?« flüsterte Rutger in verschwörerhaftem Ton, der die Kakophonie der Spitzhackenhiebe und fröhlichen »Hei-hos« kaum übertönte. »Was haste für ’ne Schuhgröße?« Noch immer keine Antwort.
    Rutger brummelte sich eins. »Findet alles über das Grubenunternehmen heraus, was Ihr könnt«, ahmte er Practz nach. »Stellt Fragen. Kommt sofort zur Sache.«
    Es war hoffnungslos. Jetzt war er schon fast eine halbe Stunde hier, und noch immer hatte keiner der anderen auf seine Fragensalve kaum mehr als ein Grunzen geäußert.
    »Hört ihr eigentlich nie auf zu graben?« raunzte er in beinahe bittender Frustration.
    »Nee!« grunzte Dimpelskotsch und demonstrierte ebendies mit einer neuen Salve wüster Schläge.
    Die Stimme erschreckte Rutger. Sie war wie eine kurze schillernde Oase der Reaktion in einer Wüste scheppernder Spitzhacken. Oder eine Fata Morgana? Eine verzweifelte, eifrig gesuchte Antwort, die sein Geist ihm aus Mitleid gegeben hatte? Der Zwerg hatte bei der Antwort nicht innegehalten, nie beim heftigen Dreinschlagen gezuckt, keinen Hicks in seinem treibenden Rhythmus

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