First Night - Der Vertrag (German Edition)
sie ausfallen, weil sie ihrem Magen etwas Schonung gönnen wollte und alleine der Gedanke an Currywurst sie schon zum Würgen brachte. Die Mittagspause war total bescheuert und endete genauso, wie sie angefangen hatte: Mit verheulten Augen. Zwischendrin führte sie ein ziemlich deprimierendes Telefongespräch mit Frau Mahler und ein ziemlich merkwürdiges Gespräch mit Roman Morosow.
Frau Mahler klang noch ganz überschwänglich und energiegeladen , als sie sich meldete.
„Julia ! Wie geht es Ihnen?“
Sie meinen , bis auf die Tatsache, dass Ihr Sohn ein Mistkerl ist und ich ihn nie wiedersehen will? Laut sagte sie: „Danke, gut.“
„Wir treffen uns heute Abend. Thomas und Walter und ich. Er hat mich vorhin angerufen und hat gesagt , er kommt vorbei, um Walter kennenzulernen. Er war … er war total einsichtig und interessiert und kein bisschen verärgert, ganz im Gegenteil, ich hatte den Eindruck, er freut sich wirklich für mich. Ich bin Ihnen so dankbar. Was immer Sie mit ihm gemacht haben, ich habe ihn noch nie so zahm erlebt wie vorhin am Telefon.“
P ah, zahm! Julia war sich nicht sicher, ob sie und Frau Mahler über den gleichen Mann sprachen. Sie hätte ihren feinen Sohn gestern mal hören sollen, wie der herumschreien konnte.
„Sie sind so ein Schatz! Ich könnte Sie endlos an mich drücken!“, seufzte Frau Mahler.
Ich könnte es vertragen, dachte Julia und sagte kurz angebunden:
„Ich muss jetzt wieder arbeiten, Frau Mahler.“
Dass Frau Mahler so nett war, machte es nicht gerade einfacher für Julia. Eigentlich wollte sie sauer auf die Frau sein, wegen ihrer ungebetenen Ei nmischung und wegen dem, was sie damit angerichtet hatte, aber wenn sie es genau bedachte, war Frau Mahler die Oma ihres Kindes – und vielleicht die einzige Oma, die sich je für das Kind interessieren würde.
„Noch eine Frage, Julia, dann sind Sie mich los!“
Sie gab ein banges „Ja?“ von sich. Sie hatte wirklich keine Lust, mit Frau Mahler über Thomas zu reden und noch weniger würde sie mit ihr über ihre Schwangerschaft reden.
„Walter ist hin und weg von Benni. Er hat ihm wohl versprochen, dass er ihn mit zur Sternwarte nimmt. Er kennt da viele Leute und hat schon nac hgefragt. Die beiden könnten in der Nacht von Freitag auf Samstag das Teleskop besichtigen und natürlich auch die Sterne anschauen. Wenn Sie einverstanden sind.“
„Ja, ähm, das ist wirklich sehr nett. Das ist toll.“
Oh Mann, Benni würde sich wie verrückt freuen. Wer hatte schon jemals die Gelegenheit, durch ein Radioteleskop zu schauen? Und außerdem könnte sie dann am Freitagabend schon mit dem Umzug beginnen. Sie könnte die Wohnung putzen und ein paar Gardinen aufhängen und auch gleich ein paar Sachen mit rüber nach Friedrichshain nehmen.
„Wir holen Benni am Freitag bei Ihnen ab und er könnte dann bei mir in Potsdam übernachten, weil es sicher ziemlich spät in der Nacht wird, bis die Sternegucker fertig sind. Und Sie könnten Benni am Samstagnachmittag wieder bei mir abholen, dann trinken wir noch ein Tässchen Kaffee zusa mmen.“
„Ich ziehe am Samstag um, da werde ich es erst am Abend schaffen.“
„Sie ziehen bei Thomas ein?“
Großer Gott, die Frau hatte das Gemüt einer Klosterschwester.
„Nicht in diesem Leben, Frau Mahler!“, sagte sie und versuchte, so hart zu klingen, wie sie gerne wäre, oder sich zumindest nicht anmerken zu lassen, dass ihre Augen schon wieder in Scheißtränen schwammen. Sie wartete darauf, dass die Erkenntnis bei Frau Mahler einsickerte, dass es nichts zwischen Thomas und ihr gab und dass sie deshalb auch nicht die Ersatzoma für Benni zu spielen brauchte. Aber ihr Interesse an Benni schien offenbar echt zu sein und unabhängig von den Beziehungskonstrukten ihres Sohnes zu bestehen, denn sie wollte Julias Adresse wissen, stimmte die Uhrzeit ab und verabschiedete sich dann mit deutlich weniger Enthusiasmus als bei der Begrüßung.
Sie war immer noch dabei , diesen Anruf zu verdauen, da versetzte ihr das Gespräch mit Roman Morosow noch einen weiteren Tiefschlag. Als sie den Mann nach drei Versuchen endlich erreichte, war er zunächst gar nicht angetan von der Tatsache, dass irgendjemand es gewagt hatte, ihn auf diesem Handy anzurufen. Julia musste ihm in aller Eile erklären, wie sie überhaupt zu der Nummer gekommen war und wer sie war. Sie hatte das Gefühl, wenn sie nicht ganz schnell sprach und sich nicht sehr kurzfasste, dann würde der Mann einfach wieder auflegen.
Weitere Kostenlose Bücher