First Night - Der Vertrag (German Edition)
nichts über Bennis Vater und schon gar nichts über Maries möglichen Mörder. Wenn Julia also davon absah, dass ihr mit den Tagebüchern ein wichtiges persönliches Stück ihrer Schwester gestohlen worden war, war der Diebstahl ansonsten leicht zu verkraften. Trotzdem musste irgendetwas in den Tagebüchern stehen, vor dem sich jemand fürchtete.
Etwas, v or dem sich vielleicht der BND fürchtete?
Oder war es Morosow gewesen?
Aber wenn Morosow s Leute hier gewesen wären, dann wüssten sie ja, wo sie mit Benni wohnte, und dann bräuchte er sich wohl kaum mehr zu einem Treffen mit ihr verabreden.
Es musste der BND sein, der Maries Tagebücher beseitigen wollte, genauso, wie er alle Dateien und Akten über sie beseitigt hatte. Und genauso, wie er Marie beseitigt hatte. Und die Skrupellosigkeit, mit der die Leute vorgingen, machte Julia Angst.
Richtige Angst.
Micha blieb noch den ganzen Abend. Er blieb zum Abendessen und auch noch nach dem Abendessen und Julia war ihm wirklich dankbar dafür, weil sie sich vor dem Alleinsein fürchtete. Sie wollte nicht, dass er die Polizei rief, und sie wollte ihm auch nicht von den gestohlenen Tagebüchern erzählen oder überhaupt von ihrer Schwester. Als Micha sie fragte, ob irgendetwas in dem Karton gewesen sei, das wertvoll war, hatte sie deshalb verneint und es darauf beruhen lassen, aber sie bot Micha immer wieder Cola an und als die Cola alle war, auch Wein, in der Hoffnung er würde noch bleiben.
Ihre Notlage und ihre Angst waren die optimale Gelegenheit für Micha. Sie zitterte am ganzen Körper und er hatte bereits zweimal gefragt, ob er g ehen solle und sie hatte jedes Mal voller Angst „Nein!“ gesagt, fast darum gebettelt, dass er blieb.
S ie war einfach die hinreißendste Frau, die er je kennengelernt hatte, also zog er sie in seine Arme und versuchte, sie zu küssen. Benni war schon vor einer Stunde eingeschlafen und Micha wollte nichts weiter von ihr als einen Kuss. Einen Kuss von diesen Lippen, von denen er nachts träumte … er träumte nicht nur von den Lippen, aber er würde sich natürlich mit einem Kuss begnügen. Sie sollte nicht denken, dass er ihre Notlage schamlos ausnützen wollte, nicht schamlos, nur ein bisschen.
Sie versteifte sich sofort, als sie merkte , was er vorhatte, und sagte auch gleich: „Bitte nicht!“
Aber er wollte es nicht glauben. Sie fühlte sich so perfekt an in seinen Armen, so weich, so zerbrechlich, so schutzbedürftig. Sie sehnte sich nach Zärtlichkeiten, das wusste er. Er spürte ihre Traurigkeit und er war sich sicher, dass er diese Traurigkeit wegküssen und wegstreicheln konnte. Sie musste es nur zulassen. Es würde ihr gut gehen mit ihm, es würde ihr gefallen, er konnte unsäglich zärtlich sein.
„Komm, ich weiß, was dir gefällt“, flüsterte er, aber sie war jetzt nicht nur starr, sie war panisch und sprang auf die Beine, um einen möglichst großen Abstand zwischen sich und ihn zu bringen. Aber wohin sollte sie in dieser kleinen Wohnung schon fliehen? Er sprang ebenfalls auf und kam ihr hi nterher in den Flur.
„Nein, lass das!“, rief sie und stieß ihn so kräftig von sich, dass er gegen die Wand taumelte. „Warum machst du das? Du bist Bennis Lehrer, er schläft hier direkt nebenan.“
Micha hob beschwichtigend die Hände, als Zeichen, dass er nicht vorhatte, ihr etwas zu tun. Ganz im Gegenteil, er wollte doch nur gut zu ihr sein. Zärtlich und liebevoll. Natürlich wollte er sie haben, das war ja kein Wunder und daran war sie selbst schuld. Warum trug sie so wahnsinnig enge Hüftjeans und diese Bluse, die sich über ihren Brüsten spannte? Warum zeigte sie sich immer so abweisend und stolz? Warum gab sie nicht einfach zu, dass sie auf ihn stand?
„Du bist so unglaublich schön und du weißt schon lange, was ich von dir will!“
Er machte noch einen Schritt auf sie zu.
Oh Shit, das war zweifellos der perfekt-beschissene Ausklang für einen pe rfekt-beschissenen Tag. Jetzt musste sie sich auch noch Bennis Rektor vom Hals halten und wenn Worte nicht halfen, dann würde sie ihm einen schmerzhaften Fußtritt verpassen müssen, und das wäre garantiert schlecht für Bennis Schulnoten.
„Micha, es tut mir leid, wenn der Eindruck entstanden ist, dass ich I nteresse an dir habe. Ich hatte nur solche Angst, alleine zu sein. Du …“
„Ich kann dich glücklich machen“, murmelte er mit drängender Stimme und drückte sie mit aller Kraft gegen die Wand. Hier in diesem Haus um Hilfe zu rufen, das
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