First Night - Der Vertrag (German Edition)
Bennis kunstvollem Schlachtengemälde, das er bei Isabel gemalt hatte, schwer beeindruckt gewesen. Wenn sie ihm schon das perfekt eingerichtete Kinderzimmer am Hackeschen Markt verwehrt hatte, so konnte sie ihm jetzt doch wenigstens mit kleinen Sachen eine Freude machen. Bei Sparfox an der Kasse trafen sie Micha Kühn, Bennis Rektor, und als er sah, wie viele Leinwände Julia gekauft hatte, bot er freudig seine Hilfe beim Tragen an. Es war ein ganzes Stück von der Sparfox-Filiale bis zur Schlesischen Straße und Julia hatte nichts gegen ein bisschen Hilfe einzuwenden. Tatsächlich war Bennis Schultasche schon schwer genug und sie spürte die fatale Erschöpfung, die eine durchweinte Nacht und ein durchkotzter Tag mit sich brachten bis ins Mark.
Noch bevor sie ihre Wohnungstür erreicht hatte, wusste Julia, dass irge ndetwas nicht stimmte. Die Fußmatte lag nicht so wie sonst und Bennis Gummistiefel, die er immer pedantisch vor der Tür aufstellte, lagen umgeworfen an der Treppe. Als sie die Türklinke berührte, öffnete sich die Tür mit einem leisen Quietschen nach innen und Julias Herz rutschte in die Hose. Micha legte sofort die Leinwände ab und war an Julias Seite.
„Ein Einbruch. Wir sollten sofort die Polizei rufen!“
Julia war sich gar nicht so sicher, ob hinter der Tür nicht drei hünenhafte Russen standen und mit Kalaschnikows im Anschlag auf sie warteten. Unwillkürlich griff sie nach ihrem Handy und drückte ohne nachzudenken die Nummer von Eric. Wen sollte sie sonst um Hilfe bitten? Die Polizei ganz bestimmt nicht. Gleichzeitig stieß sie die Wohnungstür noch ein wenig mehr auf und machte das Licht in dem kleinen Flur an. Er war leer. Wenn sich hier tatsächlich drei Riesen aufhalten würden, wäre der Flur jetzt überfüllt.
„Benni, du gehst besser eine Etage tiefer und wartest da , bis wir wissen, was passiert ist“, sagte Micha Kühn und Julia fand das sehr umsichtig von ihm.
Sie hatte vor lauter Schreck gar nicht daran gedacht, Benni erst mal in S icherheit zu schaffen. Er musste sich ja zu Tode fürchten. Bei Eric meldete sich die Mailbox. Vermutlich war er längst mit Isabel im Bett und hatte Versöhnungssex und deshalb war sein Handy ausgeschaltet. Sie sprach irgendetwas total Konfuses auf seine Mailbox.
Sie wolle nicht stören und wenn er vielleicht zurückrufen könne , sobald er Feierabend habe, weil bei ihr eingebrochen worden sei, aber bitte nicht während er im Dienst war, damit Thomas nichts davon erfuhr und sauer werden würde und wenn er es nicht schaffen würde anzurufen, dann wäre es auch nicht schlimm. Sie würde vielleicht ja doch besser die Polizei verständigen und eigentlich sei alles nur halb so schlimm.
Aber in Wahrheit war alles doppelt so schlimm. Sie hätte in diesem Augenblick alles dafür gegeben, einen Leibwächter an ihrer Seite zu haben, der einfach nur da war, damit sie nicht gezwungen war, alleine in diese Wohnung hineinzugehen. Aber Micha erwies sich als echter Held. Er schob sie vorsichtig zur Seite und sagte:
„Lass mich vorgehen.“
Und das tat er auch, beherzt und mit Todesverachtung.
Es stellte sich heraus, dass niemand mehr in der Wohnung war und wer immer auch eingebrochen hatte, der hatte nichts mitg enommen. Es gab ja auch nichts mitzunehmen. Jeder Einbrecher, der sich die Mühe machte, diese Tür aufzubrechen, konnte nur enttäuscht wieder herauskommen. Sie hatte nicht einmal Bargeld hier. Abgesehen von Bennis magerem Sparschwein besaß sie nur billigen Modeschmuck, von dem kein Stück mehr wert war als 20 Euro. Ihre wertvollsten Besitztümer waren ihre Schönfelder- und Sartorius-Gesetzesbände, ihr Laptop und ihre neue Winterjacke, aber all das war noch unberührt an seinem Platz. Und als sie gerade zu dem Ergebnis kam, dass das wohl eher ein dummer Streich als ein echter Einbruch gewesen war, fiel ihr Blick auf das Paket, das ihre Mutter geschickt hatte, das Paket mit den Tagebüchern von Marie. Sie hatte es neben das Sofa gestellt, weil sie jeden Abend ein wenig in den Tagebüchern gelesen hatte, ohne jedoch irgendeinen brauchbaren Anhaltspunkt auf Maries Tod zu finden. Das Paket lag umgekippt auf der Seite und es war leer.
Alle Tagebücher von Marie waren verschwunden.
Damit war klar, dass die Einbrecher keine gewöhnlichen Diebe gewesen w aren. Die Frage war nur, wer hatte Interesse an Maries Tagebüchern? Julia hatte wirklich nicht viele brauchbare Informationen darin finden können. Nichts über ihre möglichen Auftraggeber,
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