First Night - Der Vertrag (German Edition)
natürlich würde sie sich nicht verkaufen. Nicht sie. Es sei denn, er würde ihr sehr, sehr viel Geld anbieten.
S o viel Geld, dass sie keine drei Jobs mehr ausüben musste und dass sie sorgenfrei leben konnte. Jeder Mensch war käuflich. Jeder. Es war nur eine Frage des Preises und er stellte fest, dass er für eine unberührte Frau wie Julia einen hohen Preis zu zahlen bereit wäre.
Unberührt war vielleicht der falsche Ausdruck. Immerhin b erührte sie sich selbst, in der Badewanne … aber das machte sie für ihn nur noch viel heißer und attraktiver.
Er musste verrückt sein, überhaupt über so etwas nachzudenken.
Er ging zurück in das Kaminzimmer , wo er seinen Laptop hatte liegen lassen und wo Brockmann sich mit einer Flasche Bier auf dem Sofa niedergelassen hatte und schnappte sich den Laptop. Wenn sie ihm keine Mail geschrieben hatte, würde er sie anrufen. Sobald er ihre Handynummer kannte.
Sie hatte nicht geantwortet.
Seine Laune entwickelte sich von bewölkt zu Gewitterfront und Brockmann, der für so etwas irgendeine verborgene Antenne hatte, stand hastig auf und wünschte ihm eine gute Nacht.
„Am besten Sie duschen noch mal kalt vor dem Schlafengehen!“
Es gab auch bessere Methoden, als kalt zu duschen. Ha! Thomas hockte sich in sein Bett, den Laptop vor sich und starrte den Bildschirm an, auf dem er nichts sah außer einem nervtötenden Bildschirmschoner, aber irgendwie schwir rte ihm das Gesicht von Julia vor den Augen. Ebenmäßig, klassisch, herzförmig, offen, ehrlich und atemberaubend schön. Dunkle Augen, große Lippen, gerade Nase und ein Lächeln wie ein Sonnenaufgang.
Kurz vor zwölf kam endlich eine Mail von ihr. Er hatte sie schon zig Mal gegoogelt und unter Julia Dietrich nichts gefunden. Rein gar nichts. Wobei er unter „Julia“ natürlich alles Mögliche gefunden hatte. An erster Stelle alles, was es über Shakespeares Vorstellung einer unsterblichen Liebe zu lesen gab, und fünftausend Bilder diverser Julias, angefangen bei einer Schauspielerin und aufgehört bei einer osteuropäischen Politikerin, wobei keine der Julias seiner Julia optisch auch nur das Wasser reichen konnte. Auf seine Frage von vorgestern „ Wer ist Benni ?“ schrieb sie:
„Sorry, dass ich mich jetzt erst melde. Ich hatte so viel um die Ohren. Benni ist mein Neffe. Er wohnt bei mir.“
Das wusste er inzwischen längst. Er wusste sogar aufgrund von Brockmanns Beschreibung, dass der Bursche ein siebenjähriger Wonneproppen war mit einem scharfen Verstand und den himmelblausten Augen der Welt.
„Hattest du einen schönen Tag?“, war ihr letzter Satz.
„Mein Abend war wunderschön!“, antwortete er ihr. Aber er befürchtete, dass ihr das als Antwort zu reizlos war und sie ihm dann nicht mehr zurückschreiben würde, weil sie hundemüde sein musste nach einem Tag mit drei Jobs und weil sie vermutlich tot ins Bett fallen würde. Er schrieb noch eine zweite Mail:
„Ich habe eine Frau kennengelernt.“
„Und? Verliebt?“, kam es postwendend.
„Sie hat mich umgehauen. Was ist mit dir? Hattest du auch einen sch önen Abend?“ Er fieberte ihrer Antwort entgegen, die aber auf sich warten ließ. Sie würde ihm von ihrer Begegnung im Restaurant schreiben, das hoffte er. Das betete er.
„Ich habe gearbeitet, aber es war in Ordnung. Da waren heute vier M ädels, die dachten, sie hätten Johnny Depp auf der Straße getroffen. Sie haben ihn nach einem guten Restaurant gefragt und er hat ihnen gesagt, das wäre der Italiener, bei dem ich arbeite. Ich habe Ihnen erklärt, dass das nicht Johnny Depp ist, sondern Wilko, der Philosophiestudent, der in der Wohnung über unserem Restaurant wohnt, und dass er Johnny ziemlich ähnlich sieht und oft bei uns Pizza isst. Ich schätze, die Mädels sind morgen Abend wieder da.“
Kein Wort von ihm und Brockmann. Hatte er mit seinem Trinkgeld so wenig Eindruck bei ihr hinterlassen?
„Du arbeitest also bei einem Italiener? Vielleicht komme ich mal vorbei.“
Sie antwortete nicht mehr und er hätte sich die Finger abbeißen kö nnen, weil er diesen Mist geschrieben hatte. Wie dumm von ihm! War die Anonymität futsch, war auch ihre Offenheit zum Teufel und er wollte nichts mehr als ihre Offenheit. Als nach zehn Minuten noch keine Antwort kam, schrieb er:
„Ich schwöre dir, ich komme nicht vorbei. Ich weiß doch gar nicht , welcher Italiener das ist und außerdem möchte ich ebenso anonym bleiben wie du. Auf diese Weise kann ich mit dir über Dinge reden,
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