First Night - Der Vertrag (German Edition)
beinahe sechzig und wirklich kein Adonis. So sah er doch niemals aus, so vergrämt, so einsam, so finster, so charismatisch.
Kapitel 4
Am anderen Morgen beim Frühstück erwartete Eric Brockmann se inen Chef mit Neugier. „Sie haben nicht viel geschlafen!“
In der Tat hatte Thomas die halbe Nacht Filme angeschaut, in denen Roderick Cavendish mitspielte. Er konnte noch nicht einmal e rklären, warum. Er war nicht dieser Cavendish-Heini, der vor zwanzig Jahren mal die Massen begeistert hatte, und er hatte es, weiß Gott, nicht nötig, mit einem alternden britischen Schauspieler zu konkurrieren. Er war klüger und reicher und berühmter als Cavendish und attraktiver.
„Haben Sie die ganze Nacht mit Ihrer Putze gemailt?“
„Finden Sie die Bezeichnung angemessen?“
„Nicht für Julia, aber Sie haben die Bezeichnung erfunden, nicht ich.“
„Sind Sie desillusioniert, Brockmann?“
De r schaute von seinem Müsli auf, überrascht und nachdenklich.
„ Ja, vielleicht. Die meisten Frauen sind Schrott und was das Leben angeht … ja, durchaus.“
„Sie verdienen ein Heidengeld als mein Bodyguard. Was fehlt Ihnen zum Glück?“
„Geld ist zweitrangig. Ich mag Sie, Herr Mahler, und ich mag den Job bei Ihnen. Das ist der Grund, warum ich hier bin, nicht wegen der Unmengen an Euros, die jeden Monat auf meinem Konto landen und die ich gar nicht ausgeben kann. Ich hab soviel Geld, ich kann bald meinen eigenen Konzern kaufen.“
„Was fehlt also?“
Brockmann zuckte die Schultern. „Ich weiß nicht, vielleicht so was wie der kleine Bursche gestern. Benni. Ich hätte gerne Kinder gehabt. Aber meine Frau hat sich scheiden lassen, als die Auslandseinsätze bei der KSK anfingen. In dieses Leben passt einfach keine Familie. Und jetzt? Na ja, man wird älter, wählerischer. Wie kommen Sie überhaupt darauf?“
„Julia meinte , Sie seien desillusioniert.“
„Sie ist ein kluges Mädchen.“
„Ich will mit ihr schlafen!“
„ Kann ich verstehen, aber ich dachte, sie schläft nur aus Liebe mit ’nem Kerl oder wie war das?“ Brockmann wandte sich mit einem zynischen Lachen wieder seinem Müsli zu.
„Ich könnte sie kaufen!“
In dem Moment, als er es aussprach, wurde ihm bewusst, dass er es ernst meinte.
„Das möchte ich sehen .“ Brockmann aß bedächtig weiter.
„Das werden Sie. Recherchieren Sie für mich ihren gesamten finanziellen Hintergrund, und alles, was Sie sonst über sie herausfinden können. Ich will einen kompletten Background-Check.“
„Ich kann Ihnen auch so sagen, dass die Kleine arm ist wie eine Ki rchenmaus. Der Junge trägt abgetragene Klamotten, die Wohnung ist mickrig und spartanisch eingerichtet und das Haus ist unterstes Niveau. Das Mädchen hat drei Jobs, um sich über Wasser zu halten. Was müssen Sie noch mehr über ihren finanziellen Hintergrund wissen? Sind Sie erst glücklich, wenn sie auch die letzte anständige Frau auf diesem Planeten mit ihrem Geld in den Dreck gezogen haben?“
„Wie kann ich sie in den Dreck ziehen, wenn mein Geld dazu beitr agen wird, sie genau da rauszuziehen?“
Brockmann zuckte die Schultern, aber sein Blick verriet Thomas, dass er nicht wirklich einverstanden war.
***
Seine erste Frage, als Thomas sein Büro betrat, lautete: „Conni , was verdienen die Praktikanten bei uns?“
„Guten Morgen , Herr Mahler. Ich werde mich erkundigen.“
Es fiel ihr diesmal wirklich schwer, ihre Verwunderung über sein neuerliches Interesse an den einfachen Beschäftig ten seines Konzerns zu verbergen, das wusste er. Sie war ja nicht auf den Kopf gefallen, sie war nur ein Ausbund an Diskretion und zeigte es deshalb nicht offen, wenn sie vor Neugier platzte. Apropos Diskretion, noch bevor er die Tür zu seinem Büro öffnete, hielt sie ihn mit einer unscheinbaren Geste zurück.
„Ich muss Ihnen leider sagen, dass eine Dame in Ihrem Büro auf sie wartet. Ich konnte sie nicht abwimmeln. Es war unmöglich. Sie wurde beinahe handgreiflich.“
Sein erster spontaner Gedanke war Julia und eine heiße Welle der Freude schoss durch seinen Körper, aber dem folgte eine spontane Ernüchterung, denn natürlich war es nicht Julia. Warum auch? Sie wusste nicht, wer er war. Sie wusste nur, dass er ein einsamer Wolf war, und warum sollte sie unter Gewaltanwendung in sein Büro eindringen?
„Wer ist es?“
„Frau Becker von der Rechtsabteilung.“
Das gab seiner freudigen Erregung den Todesstoß.
„Rufen Sie den Sicherheitsdienst.“
Dann
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