First Night - Der Vertrag (German Edition)
intime Fragen, die niemanden etwas a ngehen.“
„Sagen wir, jeder hat einen Joker, mit dem er eine Antwort überspringen kann. Nur einen Joker, mehr nicht.“
„Einen Joker! Einverstanden. Wer darf zuerst fragen?“
„Ladies first.“
„Hast du schon öfter mit Jungfrauen geschlafen?“, fragte sie ganz leise.
Komisch, das war eigentlich gar nicht die Frage gewesen, die sie sich au sgedacht hatte, die hatte sich doch tatsächlich aus ihrem Unterbewusstsein direkt auf ihre Zunge geschlichen und die Frage nach seiner ersten Million in die Kategorie belangloses Wissen verdrängt.
„Nein. Noch nie“, flüsterte er zurück und stellte postwendend seine Frage: „Hat dir unser Kuss gefallen?“
„Ja!“ sagte sie und hielt den Atem an. Sollte sie ihm sagen, dass der Kuss ihr die Füße weggezogen hatte, dass sie sich den ganzen Tag gefühlt hatte, als wäre sie auf Speed? War das nicht der Sinn des Spiels, sich gegenseitig die Wahrheit zu sagen? „Das war der beste Kuss meines Lebens.“
Er lachte herzhaft. „Ich schätze, dein Teenie-Freund war keine ernstzune hmende Konkurrenz für mich.“
„Ich bin jetzt dran mit fragen. Was ist das Peinlichste, das dir je passiert ist?“
„Als ich von einer Putzfrau beim Onanieren auf der Toilette erwischt wurde.“
Sie brachen gleichzeitig in prustendes Gelächter aus und der Steward e rschien und fragte, ob er noch einmal Champagner nachschenken dürfe. Thomas nahm an und Julia lehnte ab und der Steward huschte wieder in sein diskretes Versteck.
„Meine Frage: Was sind deine Lieblingsblumen?“
„Alle, die blau blühen. Was bereust du in deinem Leben am meisten?“
Ohne zu Zögern: „Dass ich Ines Werth geheiratet habe. Was bereust du am meisten?“
„Du darfst meine Frage nicht klauen.“
„Selbstverständlich darf ich. Wir hatten nicht vereinbart, dass man nicht die gleiche Frage im Gegenzug stellen darf, Frau Jurastudentin. Du kannst ja deinen Joker nehmen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass so ein junger Mensch wie du bereits allzu viel zu bereuen hat.“
„Ich … ich bereue, dass ich es nie bemerkt habe, wie schlecht es meiner Schwester ging, in welchen Schwierigkeiten sie steckte, dass etwas in ihrem Leben ganz und gar nicht stimmte. Ich bereue, dass ich sie mit ihren Sorgen alleine gelassen habe, während ich in meiner oberflächlichen Teenie-Welt dachte, es gäbe nichts Schlimmeres auf der Welt als einen Pickel im Gesicht.“
„Ich habe mich mit meinem Bruder verkracht, wegen Ines“, sagte er, ohne gefragt worden zu sein. „Er hat gesehen, wie sie wirklich war, und hat mich vor ihr gewarnt. Aber ich wollte die Wahrheit nicht sehen, habe mich mit ihm sogar geprügelt.“
„Du hast sie eben geliebt. Das ist doch verständlich.“
„Nein! Nein, ich habe sie nicht geliebt.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich gla ube, es ist mir nicht gegeben zu lieben. Ich liebe meinen Beruf, meine Firma, meinen Besitz, schöne Dinge wie Kunst und Schmuck und Autos, aber mit der Liebe zu Menschen, besonders zu Frauen, habe ich so meine Schwierigkeiten.“
„Das ist traurig“, sagte sie und schwieg und sah zum Fenster hinaus auf die weiße Wolkendecke unter ihnen. Und schwieg weiter.
Sie hatten den Faden ihres Fragespiels verloren und er wusste noch nicht einmal genau warum. Wahrscheinlich war das Thema zu ernst geworden. Sie hätten nicht über Liebe reden sollen. Er hätte nicht über Liebe reden sollen. Nicht mit einer Frau, die als Maxime propagiert hatte, dass sie sich einem Mann nur aus Liebe hingeben wollte. Nicht mit einer Frau, der er diese Maxime für eine Million Euro abgekauft hatte.
„Ich bin ein Tölpel! Verzeih!“
„Warum? Weil du die Wahrheit gesagt hast? Es ist mir lieber so, als wenn du Gefühle vorspielen würdest, die nicht da sind, und womöglich würde ich mich noch in dich verlieben. Ich möchte nicht wie meine Schwester enden. Ich habe gesehen, was die Liebe aus ihr gemacht hat.“
„Könntest du dir denn vorstellen, dich in mich zu verlieben?“
„Für diese Frage nehme ich den Joker. Ich bin dran. Stimmt es, dass du keinen Oralsex magst?“
„WAS? Wer behauptet denn so etwas?“, brauste er auf. „Ach, bestimmt die Becker. Stimmt’s?“
„Gegenfragen sind nicht erlaubt.“
Der Wechsel im Gesprächsklima von ernst auf schlüpfrig war so schnell von stattengegangen, dass er sich förmlich überrumpelt fühlte. Sie würde eine gute Anwältin werden. Sie würde den Gegner bei Gericht mit ihrer
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