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Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Genovesi
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Ich wende mich dem Ausgang zu und sehe eine Hand draußen im Dunkeln, die mir zuwinkt. Ich versuche zu erkennen, wer es ist, kneife die Augen zusammen, und mir wird heiß: Tiziana.
    Ich bleibe mitten im Wartesaal stehen, und alle möglichen Gedanken schießen mir durch den Kopf wie Raketen, die nach allen Seiten abgefeuert werden, so dass ich nicht mehr folgen kann. Ich kann mich nur fragen, wie Tiziana von Mirko erfahren hat, obwohl ich selbst es war, der ihr eine SMS geschickt hat.
    Sie trägt ein leichtes grünes Kleid und eilt mit einigem Hüftschwung zum Eingang. Sie sieht supertoll aus, selbst in einer solchen Situation, selbst an einem solchen Ort. Mehr noch, der Kontrast zur Hässlichkeit ringsum bringt ihre Schönheit besser zur Geltung und steigert sie noch, zumindest für mich.
    Aber bevor die Glastür aufgeht, öffnet sich mit einem fürchterlichen Getöse die blaue Tür am anderen Ende des Saals. Ein Kerl im weißen Kittel kommt raus und ruft: »Der Bruder von Mirko Colonna, der Bruder von Mirko Colonna!« Er sieht mich an und zeigt auf mich, ich schaue ihn an, ja, das bin ich. Er sagt, ich dürfe rein, aber allein und nur ganz kurz. Er ist unhöflich, und das ärgert mich, aber als ich an ihm vorbeigehe, danke ich ihm trotzdem. In Krankenhäusern verlierst du deine Würde und versuchst auch gar nicht, sie zu verteidigen. In Krankenhäusern fügst du dich entweder, oder du stirbst. Oder beides zugleich.
    »Signore, entschuldigen Sie vielmals, entschuldigen Sie.« Mirkos Stimme ist kraftlos, und jeder Satz klingt in einem Hauch aus. »Entschuldigen Sie bitte, bitte, bitte.«
    »Was hast du dir bloß dabei gedacht.«
    »Nichts, Signore, euer Plan hat mir nur so gut gefallen, und ich habe nicht verstanden, warum ihr letzte Nacht nichts machen wolltet. Ich dachte mir, es ist besser, keinen weiteren Tag verstreichen zu lassen, ohne diesen verdammten Rentnern Angst einzujagen.«
    »Da hast du falsch gedacht.«
    »Stimmt, ja. Jetzt hab ich’s verstanden.«
    »Ja, aber dazu musstest du dir erst ein Bein brechen.«
    »Ja, das ist wohl wahr, Signore, es tut mir leid.«
    Denn so ist es gelaufen, ein knallharter Stockhieb hat ihm das Schienbein zerschmettert. Jetzt liegt er hier im Bett unter einer graugrünen Decke, unter der das Bein mit diesem weißen Zeugs drum herum herausschaut, das die Bruchstelle stabilisiert. Sie haben ihm auch eine Plastikhaube auf den Kopf gesetzt, wozu, verstehe ich allerdings nicht. Vielleicht fanden die Pfleger seine strohigen Locken derart unappetitlich, dass sie sich den Anblick ersparen wollten. Dann zeigt er mir noch einen dunklen Fleck auf der Schulter: Er stammt vom ersten Stockschlag, der ihn zu Fall gebracht hat. Es sei ihm vorgekommen, als würde er in der Savanne von einem Löwen angegriffen, sagt er mit großer Genugtuung. Die Möglichkeit, dass der kleine Champion nicht nur so tut, als ob, sondern tatsächlich ein echter Idiot ist, kommt mir von Tag zu Tag wahrscheinlicher vor.
    »Jetzt verpasse ich das ganze Training, das tut mir schon leid. Auch heute habe ich eine Menge Kilometer gemacht. Ich bin am Vereinslokal vorbeigefahren, wo die anderen gewartet haben, aber Signor Roberto ist nicht gekommen.«
    Ich weiß, ich weiß es nur zu gut. Kaum hatte man mich aus der Notaufnahme benachrichtigt, hatte ich meinen Vater auf dem Handy angerufen. Es wird gegen zwei Uhr nachts gewesen sein, und er sagte, er würde gerade fernsehen. Als ob ich nicht wüsste, dass er den Fernseher gegen die Wand geklatscht hat. Und das Froschgequake im Hintergrund verriet mir, dass er um diese Uhrzeit immer noch neben der Deponie am Kanal saß und ohne Köder angelte.
    »Weißt du, er ist heute angeln gegangen«, sage ich.
    »Ja? Und hat er was gefangen?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Hoffentlich schon. Ich würde auch gern angeln gehen … Jedenfalls ist er nicht zum Vereinslokal gekommen, und dann sind die anderen Jungs wieder nach Hause. Aber ich, ich bin hundertfünfzig Kilometer gefahren.«
    »Spinnst du, das ist doch viel zu viel, das tut dir doch gar nicht gut.«
    »Ich weiß, Signore, aber ich hab mir gesagt Wenn ich müde bin, kehre ich um . Dann hab ich gemerkt, dass die Zeit verging und ich überhaupt nicht müde wurde, und dann hab ich mir gesagt, bei hundertfünfzig hör ich auf. Nur dass ich jetzt das ganze Training verpasse, das bedauere ich wirklich sehr.«
    Ich nicke. Ich möchte ihm sagen, dass er nichts verpasst, aber das wäre Quatsch. Ehrlicher wäre, ihm zu sagen, dass er sich

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