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Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Genovesi
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Hinterrad jongliert ist.
    Es stimmt.
    Später allerdings, auf dem Flur, hat mir derselbe Arzt erklärt, dass Mirkos Abenteuer auf dem Fahrrad nun wohl zu Ende wären.
    Es ist sehr, sehr unwahrscheinlich, dass er in Zukunft weiter Rennen fahren kann. Eigentlich ist es unmöglich, aber ich hätte auch geschworen, dass es unmöglich ist, auf nur einem Rad ein Rennen zu gewinnen. Trotzdem bin ich lieber realistisch und hoffe, dass wir zumindest bleibende Schäden verhindern können. Es besteht nämlich die Gefahr, dass er sein Leben lang hinken wird. Dann wäre er für immer gezeichnet, und du weißt ja selbst, wie schlimm das ist.
    Das hat er zu mir gesagt, ich schwöre es, und dabei auf mein rechtes Handgelenk gezeigt, das die ganze Zeit in meiner Hosentasche steckte. Er nahm die Brille ab, reinigte die Gläser am Ärmel seines Kittels und entfernte sich mit einem Lächeln. Das ist etwas, was ich an Ärzten mag: Sie reden nicht um den heißen Brei herum, sondern sagen dir klipp und klar, was Sache ist.
    Nach dem Mittagessen sollte Tiziana kommen, sie saß schon gestern Abend stundenlang mit mir im Wartesaal, während Mirko in seinem Zimmer schlief. Wir haben über alles Mögliche gesprochen, ruhig, entspannt und ohne Komplikationen, als wäre nichts zwischen uns gewesen und alles geklärt. Wie gute Freunde, die sich aus einem wichtigen Anlass treffen und nebenbei ein bisschen plaudern. Als sie sich dann aber verabschiedete, gab sie mir einen Kuss auf den Mund. Wie sollte ich das nun wieder verstehen.
    Der Plan war jedenfalls, dass Tiziana gegen Mittag wiederkommt, sozusagen als zweite Mitverantwortliche der Mannschaft, und mich ablöst, um Mirkos Eltern zu beruhigen. Das war allerdings gar nicht nötig, denn die aßen in der Snackbar des Krankenhauses zu Mittag, brachten Mirko ein Eis und plauderten noch ein Weilchen mit ihm, bevor sie gingen. Vorher sagten sie noch zu mir, dass die Reha-Einrichtungen hier viel besser seien als bei ihnen daheim und dass auch die Ärzte Mirko von einer langen Reise abgeraten hätten. Jedenfalls müssten sie jetzt nach Hause fahren, kämen aber sehr bald wieder.
    Ich habe ihnen schweigend zugehört, aber vor Wut die Zähne aufeinandergebissen. Am liebsten hätte ich ihnen mit dem Infusionsständer jeden einzelnen Knochen zerschmettert. Andererseits war ich geradezu erleichtert, dass diese widerlichen Leute so schnell wieder abgezogen sind. Keine Ahnung, warum. Okay, doch, ich geb’s zu. Ich war froh, dass sie gingen, ohne Mirko mitzunehmen.
    »Wir sind vier Brüder, Signore«, erzählt er mir jetzt, da seine Eltern weg sind. In seinem Krankenhauszimmer sind sechs Betten, seines steht gleich neben der Tür. Zwei sind leer, in den anderen liegen zwei Alte mit Oberschenkelhalsbruch und ein von oben bis unten bandagierter Motorradfahrer, der pausenlos jammert. »Wir sind vier Brüder, ich bin der dritte, ich mag sie alle sehr und denke immerfort an zu Hause und was sie wohl gerade machen. Aber ich glaube, es geht ihnen ohne mich besser.«
    »Was redest du da, bist du blöd? Was für einen Quatsch erzählst du da eigentlich.«
    »Es stimmt, Signore, als ich zu Hause war, ging es ihnen schlechter. Das heißt, als ich ganz klein war, ging es uns allen sehr gut, daran erinnere ich mich. Mattia war der Älteste, und er spielte hervorragend Volleyball, Giuseppe war sehr gut in der Schule. Dann habe ich angefangen, Volleyball zu spielen, und bin in die Schule gekommen, und vom ersten Tag an war ich hundertmal besser als die beiden. Sie haben aufgehört zu trainieren und zu lernen und sind jetzt schlecht drauf und sehr empfindlich und haben allen möglichen Blödsinn angestellt, besonders Mattia. Und zu Hause gab es immer Streit. Mattia und Mama beschimpften sich gegenseitig. Ich stand oft hinter der Tür und hörte alles mit, und wenn Mama mich entdeckte, merkte ich an ihrem Blick, dass sie böse auf mich war. Sie stritt es zwar ab und nahm mich in den Arm, aber eigentlich war sie böse auf mich.«
    »Ach, erzähl doch keinen Scheiß. Sie ist deine Mutter, warum sollte sie böse auf dich sein. Etwa weil du in allem so gut bist?«
    »Ja, genau, irgendwie schon. Einmal habe ich sie sogar gefragt, ob sie böse auf mich ist, da meinte sie Aber nein, Mirko, was redest du da, ich liebe dich von ganzem Herzen, du bist mein Ein und Alles . Und dann hat sie mich angeschaut … sie hatte sich gerade mit Mattia gestritten, weil er ein Mofa geklaut hatte und sie ihn von der Schule schmeißen wollten … und

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