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Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Genovesi
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Stelle.
    Denn in höchstens dreißig Sekunden verlierst du den Verstand.
    Aber du kannst jetzt nicht den Verstand verlieren, denn in fünf Minuten beginnt der Kurs in Businessenglisch – oder vielmehr Mirko kommt, der Achtklässler, der den Unterschied zwischen what und who einfach nicht kapiert und dem du Nachhilfeunterricht gibst. So wie damals, als du zwanzig warst und dir mit Nachhilfe das Geld für Schminksachen und Kinobesuche verdient hast. Und wenn dieser Sessel wirklich entspannt, musst du ihn sofort ausprobieren, bevor einer dieser Alten mit schwacher Blase die Gelegenheit nutzt, den schmutzabweisenden Bezug zu testen.
    »Haben Sie einen in Blau?«, fragst du. Blau ist deine Lieblingsfarbe. Blau wie die Wellen des Meeres.
    »Selbstverständlich, in Kobaltblau. Ich habe ihn gerade von einem Pflegeheim in Florenz zurückbekommen. Er war einen Monat dort, und es gab zehn Bestellungen. Sie haben Glück, Signorina, ich hol ihn gleich rein!«
    Der Vertreter klappt sein Notizbuch zu und verschwindet, du lächelst. Eine absurde Reaktion in diesem Augenblick, aber es geht ganz automatisch. Du weißt nicht, ob das ein gutes Zeichen ist. Und plötzlich siehst du dich aus der Distanz, wie du reglos und mit dem Bleistift in der Hand dasitzt, mit diesem Lächeln, und du kommst dir dämlich vor. Heute kommst du dir schon zum fünfzehnten Mal dämlich vor. Du malst eine Fünfzehn aufs Papier.
    Das Lächeln geht nicht mehr weg. Vielleicht ist es eingeschlafen. Vielleicht hast du eine Gesichtslähmung. Du betastest deinen Mund mit zwei Fingern, er ist nicht taub, also ist es keine Gesichtslähmung.
    Du malst eine Sechzehn aufs Papier.

ISCHEWSK
    »Nein, nein und nochmals nein. Auf gar keinen Fall! Nein und nochmals nein!«
    »Fiorenzo, hör mal, versteh doch, dass …«
    Nein, ich höre nicht hin, und verstehen will ich schon gar nicht. Es ist neun, und um neun essen wir zu Abend. Ich habe aus der Rosticceria ein Hühnchen mitgebracht, weil wir freitags immer Hühnchen essen, und jetzt setzen wir uns an den Tisch. Und während wir essen, sagen wir nichts, weil wir dabei Fernsehen gucken. So mögen wir’s.
    Heute Abend aber hat mein Vater so ein merkwürdig ernstes Gesicht gemacht und den Blick auf den Tisch gesenkt, wo nicht zwei, sondern drei Teller standen. Das kam mir zwar gleich verdächtig vor, aber ich wusste nicht, was es zu bedeuten hatte, und ging schnurstracks in mein Zimmer, keine Ahnung, warum. Ich hatte keinen konkreten Verdacht, spürte aber eine Angst wie Tiere, wenn sie eine Bedrohung wittern. Und tatsächlich, ich riss die Tür auf und konnte es nicht fassen.
    Der kleine Teufel aus dem Molise hatte es sich auf meinem Bett bequem gemacht und meinen Fernseher eingeschaltet, und in der Hand hielt er ein altes Heft aus meiner »Metal Maniac«-Sammlung. Er drehte sich seelenruhig um und schaute mich an. Ich riss ihm das Heft aus der Hand und stellte es zurück ins Regal, wo alle Hefte chronologisch geordnet stehen, dann deutete ich mindestens zehn Sekunden lang mit ausgestrecktem Zeigefinger direkt auf sein Gesicht und rannte schließlich in die Küche zurück. Ich hatte eine unbändige Lust, irgendetwas kaputt zu schlagen. Und dann fing ich an, immer wieder Nein zu rufen.
    »Nein, nein, nein und nochmals nein.«
    »Fiorenzo, jetzt stell dich nicht so an, es ist doch nur für heute Nacht. Morgen finde ich eine andere Bleibe für ihn.«
    »Warum suchst du ihm nicht gleich was?«
    »Wo denn. Es ist neun Uhr abends, heute Nacht bleibt er erst mal hier.«
    »Es gibt Hotels.«
    »Ach was, Hotels, Mensch, red doch keinen Blödsinn. Morgen bringe ich ihn irgendwo unter.«
    »Du hattest ihn doch schon untergebracht, wo liegt das Problem? Ist die Villa Berardi nicht luxuriös genug für den feinen Herrn?«
    Mein Vater dreht den Kopf zur Tür, die auf den Flur hinausgeht, und senkt die Stimme. »Die wollen ihn nicht mehr.«
    »Ach so, die wollen ihn nicht mehr, aber ich soll ihn ertragen, ja?«
    »Nicht so laut, sonst hört er dich.«
    »Mir doch egal. Von mir aus, soll er mich doch hören, soll er doch hören, dass er allen auf den Sack geht!« Ich dreh mich zur Tür, schreie: »Kleiner, du gehst allen auf den Sack!« Das soll er ruhig wissen, dieser kleine Idioten-Champion. Meinetwegen kann er alle verarschen, mich verarscht er nicht. Er ist der Superheld hier im Dorf. Wenn er die Straße langgeht, kommen die Leute aus den Geschäften gelaufen und begrüßen ihn. Zu Ostern gibt es in der Grundschule ein

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