Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive
Preisausschreiben, bei dem das schönste Gedicht prämiert wird, und dieses Jahr hat ein Kind gewonnen, das ein Gedicht über ihn geschrieben hat. Und der will mir weismachen, dass er keinen Platz zum Schlafen findet? Nein, da fall ich nicht drauf rein, das gehört alles zu seinem hinterhältigen Plan. Erst kommt er in mein Dorf, dann in mein Haus, und jetzt versucht er auch noch, mir mein Zimmer wegzunehmen. Wenn ich nicht aufpasse, klaut er mir alles.
»Und wieso wollen die Berardis ihn nicht mehr?«
»Das weiß ich nicht. Die Signora sagt, Cristiano kommt nicht mit ihm klar.«
»Siehst du, nicht mal seine Mannschaftskameraden halten es mit ihm aus.«
»Ohne Mirko würde es die Mannschaft gar nicht geben, verstehst du? Die Sponsoren zahlen seinetwegen, auch die Berardis. Ihr Sohn fährt zwar auch mit, aber die Fotos kommen in die Zeitung, weil Mirko dabei ist, der das Rennen gewinnt. Du solltest mal hören, wie sie sich aufregen, wenn er ins Ziel kommt und sein Trikot nicht gut sitzt und man den Schriftzug nicht richtig lesen kann und …«
»Ist mir doch egal, Papa, was hab ich damit zu tun. Ich weiß nur, dass ich mein Zimmer brauche, ich muss Sachen ausdrucken für die Band. Morgen ist ein großer Tag, wir spielen in …«
Ich verzichte darauf, den Satz zu Ende zu bringen. Meinem Vater ist das sowieso völlig gleichgültig.
Er öffnet die Alufolie mit dem Hähnchen. Ich habe extra auch Ofenkartoffeln gekauft, weil ich mir’s heute Abend gut gehen lassen wollte. Er sagt nichts zu den Kartoffeln, er fragt auch nicht nach wegen der Band, er will nicht wissen, was morgen Wichtiges passiert, nichts. Er verteilt nur die Kartoffeln und die Hähnchenkeulen auf die Teller. Drei Teller.
»Hör zu, Fiorenzo, es ist nur für eine Nacht. Mirko schläft heute hier und damit basta, verstanden?«
»Ach ja? Ach ja, wirklich? Ach ja?« Millionen möglicher Antworten oder Reaktionen wirbeln durch meinen Kopf, wie die Figuren im Spielautomaten, die sich so schnell drehen, dass man sie nicht erkennen kann. Und am Ende sage ich das Einzige, was ich nicht hatte sagen wollen. »Ach ja? So ist es und damit basta? Dann sag ich dir jetzt auch mal was, Papa: entweder er oder ich.«
Mein Vater hebt den Kopf und sieht mich an, sagt aber nichts. Er kneift die Augen zusammen, als hätte er nicht recht verstanden. Eigentlich hab ich es selber nicht ganz verstanden. Aber jetzt ist es raus, und alles, was ich tun kann, ist, seinem ernsten Blick standzuhalten, um auszudrücken Ja, richtig, genau das wollte ich sagen .
»Er oder ich«, wiederhole ich und verschränke dabei die Arme vor der Brust. Dünne bleiche Arme und beschämend frei von Tattoos. Deshalb verfehlt diese Pose auch ihre Wirkung. Ich nehme die Arme wieder runter.
»Moment, ich hab nicht ganz verstanden«, sagt er. »Hast du denn jemanden, bei dem du übernachten kannst?«
Ich fass es nicht. Ich fass es einfach nicht. Ich habe eine fürchterliche Drohung ausgesprochen. Es ist dunkel, und ich könnte von zu Hause abhauen, keine Ahnung, wo ich dann die Nacht verbringe, den Monat, mein Leben. Und mein Vater greift es auf, als wäre es eine großartige Idee. Denn schließlich ist mein Zimmer klein, zu zweit tritt man sich auf die Füße. Vielleicht möchte ich lange aufbleiben, und dann kann sich der Superchampion aus dem Molise nicht hinreichend ausruhen. Wenn ich also verschwinde, wäre es ideal.
»Ciao, Papa, gute Nacht. Schlaft gut, du und dein Champion«, sage ich. Und nach so einem Satz müsste ich eigentlich wirklich gehen. Stattdessen schau ich hierhin und dorthin und stehe wie angewurzelt unter der Neonleuchte in der Küche.
Denn – na ja, wenn ich jetzt gehe, müsste ich etwas mitnehmen. Nicht gleich einen Koffer, aber wenigstens ein paar Sachen. Einen Augenblick denke ich an die Landstreicher aus den Karikaturen, die Sandalen tragen und einen Stock über der Schulter, an dem ein Sack mit ihren Siebensachen hängt. Sandalen habe ich keine, ich bin in Hausschuhen, was keinen großen Unterschied macht. Na gut, dann geh ich eben so. Wie eine Karikatur aus dem Kreuzworträtselheft.
Ich raffe mich auf und gehe, in Pyjama und Hausschuhen, mehr brauche ich nicht.
»Fiorenzo, jetzt mach keinen Quatsch, wo willst du denn hin?«, fragt mein Vater. Aber ich sehe ihm an, dass er es nicht ernst meint. Er sagt es, weil er es sagen muss. Wie bei der Wodka-Werbung, wo es heißt, man soll maßvoll trinken.
»O nein, Papa, wo ich hingehe, das ist meine Sache. Ich bin
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