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Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Genovesi
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die da, weil sie jedes Mal darüber lachen.«
    Stille. Alle drehen den Kopf, der Lehrer Venturi steht da, die Stoppuhr in der Hand.
    »Du bist vom Sport befreit, Marelli, was geht dich das also an?«
    Fiorenzo antwortet nicht gleich. Stefano starrt ihn an, auf halbem Weg zwischen den Turnstangen und dem Umkleideraum. Er wollte gerade den Trainingsanzug loswerden, um in seinen Jeans ins normale Leben zurückzukehren, ohne Schweiß, Kurzatmigkeit und Konkurrenzkampf. Stimmt, Fiorenzo, du bist befreit, was geht dich das also an?
    »Andere Leute gewinnen den Nobelpreis oder helfen Menschen in der Dritten Welt, und was macht ihr? Ihr gebt damit an, dass ihr eine Stange hochklettern könnt. Mannomann, eine großartige Leistung, die Affen können das auch. Glückwunsch.«
    »Niemand gibt an, Marelli, es ist ein Leistungstest.«
    Fiorenzo bindet sich jetzt die Haare im Nacken zusammen, geht auf die Stange zu und umklammert sie mit seiner einen Hand. Den anderen Arm winkelt er an und legt ihn um die Stange, bringt die Beine in Position, fixiert Venturi und legt los.
    Die Zeit, die er bis nach oben braucht, ist nicht besser, aber auch nicht schlechter als die seiner Mitschüler, von Stefanino einmal abgesehen, sondern guter Durchschnitt. Oben hält er inne, blickt mit vor Anstrengung leicht gequältem Lächeln nach unten und ruft: »Na also, man kann’s sogar mit einer Hand schaffen. Ist es so was Besonderes, die Turnstange hochzuklettern?«
    »Niemand hat gesagt, dass es was Besonderes ist«, gibt Venturi zurück, den Kopf im Nacken.
    »Und warum bilden sich dann alle so viel darauf ein?«
    »Niemand bildet sich etwas darauf ein, Marelli.«
    »Klar tun das alle, und Stefano wird verarscht.«
    »Niemand verarscht ihn. Wir amüsieren uns einfach, weil er nicht hochkommt.«
    »Und jetzt, wie sieht es jetzt aus?«
    »Also, rein theoretisch ist es jetzt noch schlimmer«, sagt Venturi und nimmt Stefanino scharf in den Blick. »Da siehst du’s, Berardi, dein Freund Marelli schafft es sogar mit einer Hand. Dann kann es doch wohl nicht sein, dass du bis Weihnachten am Boden kleben bleibst?«
    Schallendes Gelächter, noch lauter als vorher. Und wieder brüllen sie Weihnachten, Weihnachten . Das quietschende Geräusch, als sich Fiorenzo die Stange hinuntergleiten lässt, geht im Gejohle unter. Seine Augen fixieren einen unbestimmten Punkt in der Ferne, während er sein verrutschtes T-Shirt runterzieht und die Haare löst. Dann verschwindet er nervös in Richtung Umkleideraum.
    Stefanino steht immer noch wie angewurzelt da. Im Vorbeigehen wirft Fiorenzo ihm zu: »Mach dir nichts draus, die wollen es nicht zugeben, aber sie haben ihre Lektion gelernt. Kopf hoch, Krieger, Kopf hoch, der Sieg ist unser.«
    Das ist jetzt eine Woche her, aber Stefano und Fiorenzo haben seitdem nicht mehr darüber gesprochen, weder in der nachfolgenden Stunde noch bei der Bandprobe am selben Abend. Kein einziges Mal.
    Und auch nicht über Stefanos Angst vor morgen Abend in Pontedera, die größer ist als die Angst vor hundert nebeneinander aufgereihten Kletterstangen. Denn dann würde Fiorenzo ihn kein bisschen verteidigen, im Gegenteil. Er würde sich tierisch aufregen, genau wie der Sportlehrer.
    Was, wenn Stefano einen Einsatz vermasselt oder aus dem Rhythmus kommt oder wenn während des Konzerts eine Saite reißt? Mein Gott, was für eine Horrorvorstellung! Und dabei lag ihm nie was dran, ein Instrument zu spielen. Es waren Fiorenzo und Giuliano, die eines Tages mit der Idee zu einer Band ankamen. Komm schon, Sté, ich singe, ich spiele Schlagzeug, wir brauchen noch einen Bass . Los, komm schon, na komm schon … Und am Ende hat Stefano Ja gesagt, denn Jasagen ist ganz leicht. Aber dann kommt plötzlich so eine Situation wie jetzt, wenn man auftreten muss, und das ist dann absolut nicht mehr leicht.
    Heute Abend wird er wieder nicht schlafen können, das weiß Stefanino, und vielleicht legt er sich deshalb gar nicht erst hin. Das einzig Gute an solchen Nächten ist, dass man die unerledigte Arbeit in Angriff nehmen kann.
    Stefano Berardi ist noch keine neunzehn, er geht zur Schule und spielt in einer Band, und er hat einen Teilzeitjob, mit dem er alle seine Ausgaben finanziert. Einen Job, den er ganz bequem von zu Hause aus erledigen kann, am Computer, während er im Internet surft oder fernsieht. Pro Woche verdient er rund dreitausend Euro.
    Alles begann vor einem Jahr und hat mit Britney Spears zu tun, die die Klos einer Autobahnraststätte reinigt,

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