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Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Genovesi
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Hörensagen, dank der Geschichten Antonios, der uns nach den Proben oft erzählt, was er mit seinen Freundinnen so macht. Und wir von der Band geben ihm ab und zu Tipps, was er alles ausprobieren soll, und das tut er auch tatsächlich und erzählt uns anschließend, wie sie reagiert haben. Wenn sie gesagt haben Ja, oh ja, das gefällt mir , stockt uns der Atem. Wir haben dann das Gefühl, auch ein bisschen daran teilzuhaben, und geilen uns tierisch dran auf.
    Insofern verstehen wir irgendwie auch die Leute, die sich an Stefanos Fotomontagen erregen. Wir können jedenfalls gut damit leben, und vor allem können wir gut mit den dreitausend Euro leben, die jede Woche auf Stefanos Konto fließen – mit dem superstarken Equipment, das in der Garage steht und das uns zu einer Band macht, die alles in Trümmer legt. Und …
    RRRums .
    Ein Knall, dass mir die Haare zu Berge stehen. Vielleicht ist ein Baum auf die Garage gefallen. Vielleicht ist eine Etage der Villa eingestürzt. Oder Giuliano ist eingetroffen. Ich dreh mich um. Da ist er. Er hebt die Hand zum Gruß.
    Er wiegt an die hundert Kilo und ist obenrum splitternackt. Ob Winter oder Sommer, Giuliano geht stets mit nacktem Oberkörper, er sagt, T-Shirts und Pullis sind ein Käfig des Systems. Er trägt nur die Jeanslatzhose mit der Werbung für die Werkstatt seines Vaters, wo er arbeitet, obwohl er es hasst, Autos zu reparieren. Er kann prima alles auseinandernehmen, aber es wieder zusammenzusetzen ist nicht sein Ding. Wenn der Alte eines Tages seinen Abgang macht, will er alles umbauen und eine riesige Autoverschrottung eröffnen. Aber vorerst lernt er erst einmal den Job und reagiert sich abends an den Drums ab. Er hält die Stöcke in der Hand, kneift die Augen zusammen, öffnet den Mund und rülpst dermaßen laut, dass ich es in meinem Magen spüre.
    »Was hast du denn?«, fragt er.
    »Ich? Nichts, wieso?«
    »Ach nichts.« Er geht zum Schlagzeug, setzt sich, zündet sich eine Zigarette an.
    »Hey, Giuliano, wenn du rauchen willst, geh bitte raus, es stört mich wegen der Stimme.«
    »Geh mir nicht auf’n Sack, Mann.«
    »Geh du mir nicht auf’n Sack, morgen ist das Konzert.«
    »Genau, und wir schlagen voll ein, soviel steht fest«, sagt er. Er setzt sich auf den Hocker und justiert ihn, zieht das Becken zu sich ran, schiebt den Gong etwas zur Seite. Und starrt mich weiter an.
    »Ey«, sagt er schließlich. »Hör mal, kommst du morgen Abend in den Klamotten?«
    Ich schaue an mir runter. Der blaue Pyjama, darüber die Tarnweste und unten die Gummistiefel. Ich seh aus wie jemand, der versucht, in seinem Bett einen Karpfen zu angeln.
    »Nein, bist du doof? Seh ich so aus, als würde ich so kommen?«
    »Weiß nicht. Ich frag ja nur.« Er rülpst noch mal, hebt die Stöcke, sagt: »Ich hab einen neuen Takt erfunden, hör dir das mal an«.
    Er senkt den Kopf und legt mit einem furiosen Wirbel los, mit der doppelten Trommel unten und ab und zu einem Schlag auf das Becken. Er spielt wie eine Kettensäge, die ein Maschinengewehr zersägt, das auf die Rotorblätter eines Hubschraubers ballert, während gleich daneben jemand den Rasen mäht.
    Ich glaube, morgen legen wir wirklich alles in Trümmer.

VERFLUCHTE MODULE
    Divo Nocentini ist dreiundsiebzig Jahre alt und hat nie etwas anderes gemacht, als Fernseher zu reparieren. Auch Radios und die ersten Videorekorder, vor allem aber Fernseher. Seine Werkstatt, Elettronica Nocentini, lag im Zentrum und war vollgepackt mit Fernsehgeräten. Auf jedem Bildschirm klebte mit Tesaband ein Zettel, der den Defekt beschrieb: GEHT NICHT. KEIN TON. GELBES BILD.
    Jedes Gerät mit einer anderen Macke, jedes mit einem anderen kleinen Problem. Bei dem einen war ein Draht locker, bei dem anderen eine Sicherung durchgebrannt oder sonst was. Er nahm sich die Geräte nacheinander vor, riesige, schwere Dinger, die er ins Freie trug und auf einen Tisch stellte, denn er arbeitete gern an der frischen Luft. Kam jemand vorbei, diskutierte er mit Divo über die Untätigkeit der Gemeindeverwaltung, über den Giro d’Italia oder die beste Zeit, Zucchini zu pflanzen, und staunte dabei über die tausend merkwürdigen Einzelteile im Innern eines Fernsehapparats, die alle zusammen diesen Zauber erst möglich machen, dass ein Herr in Mailand steht und etwas sagt, während man selbst zu Hause im Wohnzimmer sitzt und die Szene live mitverfolgen kann.
    Dann kamen die Module, und alles war vorbei.
    Divo Nocentini verzieht den Mund und spuckt auf den Boden.

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