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Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Genovesi
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Aber es ist dunkel, kein Mensch ist unterwegs, und auf der Straße liegen so viele Glasscherben und angetrocknete Kaugummis, dass ein bisschen Spucke auf dem Asphalt den Gesamteindruck nur aufwerten kann.
    Mit den Modulen ging alles den Bach runter. Plötzlich gab es nur noch Fachgeschäfte der einzelnen Hersteller. Wenn heute dein Fernseher kaputtgeht, musst du ihn zu diesen Würstchen im weißen Kittel bringen, die bei dem Gerät die Rückwand aufschrauben, das Modul auswechseln und dafür einen Haufen Geld kassieren. Ein ganzes Modul auszuwechseln – ist doch verrückt! Als hätte man eine Schwiele am Fuß, und der Arzt sagt Kein Problem, wir amputieren das Bein .
    Diese Würstchen im weißen Kittel sind auf eine einzige Marke fixiert, andere Geräte rühren die gar nicht erst an. Und für seriöse Fachleute wie Divo, der die Fernsehgeräte sämtlicher Hersteller reparierte, war plötzlich kein Platz mehr.
    So wenig wie es hier in Muglione noch einen Ort gibt, wo man nach dem Abendessen hin kann. Seitdem Eugenio gestorben ist, treffen sich alle in der Jugendinfo, aber die schließt um fünf, und Getränke müssen sie sich von zu Hause mitbringen. Die einzige Bar, die abends noch offen hat, ist in der Tankstelle an der Hauptstraße, wo man sich vor dem Eintreten bekreuzigen muss. Die ist immer voller Rumänen, Albaner und Marokkaner. Ganz besonders heute Abend. Irgendwann haben die angefangen, sich gegenseitig anzubrüllen und mit Stühlen zu bewerfen. In einer Ecke saß er, Divo, und spielte Karten mit Mazinga und Baldato, und als sie um etwas Ruhe baten, stürzte einer von denen auf sie zu und fragte, ob sie ein Problem hätten. Divo, Mazinga und Baldato haben irgendetwas vor sich hin gegrummelt, ganz leise, aber erst viel später, als der Typ längst wieder weg war und es nicht mehr hören konnte.
    Als Divo jetzt daran denkt, packt ihn die kalte Wut. Wut auf diese chinesischen Firmen mit ihren TV-Servicecentern. Sie bringen die Module aus China hierher und nehmen den Leuten die Arbeitsplätze weg. Wut auf diese Rumänen und Albaner, die hierherkommen und den Frieden stören. Warum können die nicht zu Hause bleiben? Divo war in Sanremo auf Hochzeitsreise und in Civitavecchia beim Militärdienst, aber das war’s, danach ist er nie wieder von hier weg. Wenn das alle machen würden, ginge es allen gut oder wenigstens halbwegs gut. Aber heute findet einer, der hier geboren ist, hier nicht mal mehr eine Arbeit, und auch seine Rente kann er nicht mehr ungestört genießen. Nachts auf dem Nachhauseweg muss er sich beeilen, weil die Straßen nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr sicher sind. Und jetzt fängt es auch noch an zu regnen.
    Früher brauchte man vor dem Schlafengehen die Haustür nicht abzusperren. Früher wurden Verträge per Handschlag besiegelt. Früher …
    Er bleibt stehen, lauscht. Das Geräusch hat er schon eine ganze Weile im Ohr, aber bis zu diesem Augenblick hat er es nicht bewusst wahrgenommen. Und jetzt ist es zu spät, um kehrtzumachen und einen anderen Weg zu nehmen. Es ist das Geräusch einer Kette, die gegen irgendetwas schlägt, gegen einen Roller, und der Mann, der damit zugange ist, sieht irgendwie slawisch aus. Jetzt hält er inne und schaut Divo an. Er hat eine riesige Zange in der Hand, und seine Augen blitzen gefährlicher als die Messer, die er todsicher bei sich trägt, wenn es nicht Spritzen oder Pistolen sind oder sogar beides, Spritzen und Pistolen.
    »Was gibt’s da zu gucken, was willst du!«
    Divo antwortet nicht. Er will ja gar nichts. Was soll er denn wollen? Er ist zufällig hier vorbeigekommen. Hätte er das Geräusch früher gehört, hätte er einen anderen Weg genommen, aber seine Gedanken waren bei diesen verfluchten Modulen, und deshalb hat er nicht weiter darauf geachtet. Aber wie soll er das dem Slawen erklären?
    »Also, was willst du, verschwinde!«
    Divo nickt, rührt sich aber nicht vom Fleck. Er versucht sich zu erinnern, wie man sich umdreht und weggeht. Sein Herz schlägt schnell, manchmal setzt es ganz kurz aus.
    Der Slawe richtet sich auf und zieht sein verrutschtes T-Shirt glatt, im nächsten Moment wird er sich auf ihn stürzen. Divos Herz schlägt noch schneller. Sie schauen sich in die Augen. Der Slawe und der Alte mit dem grauen Star.
    Dann taucht auf der anderen Straßenseite an der Ecke etwas Weißes auf. Weiße Haut, weiße Haare, bedeckt von weißem Zeitungspapier zum Schutz vor dem Regen. Mazinga und Baldato, und Repetti ist auch dabei.
    Sie

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