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Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Genovesi
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deinen Blog liest. Er lebt in Mountain View, Kalifornien, und die Bemerkung über Obama war nur für ihn bestimmt. Auch wenn er heute noch nicht reingeschaut hat, wie dir der magische Besucherzähler verrät. Vielleicht ist er beruflich unterwegs, vielleicht hat er einen interessanten Job, der ihn durch ganz Amerika führt, und ist ein unternehmungslustiger Mensch, der nicht sein ganzes Leben vor dem Computer verbringt.
    Auch die Geschichte mit dem kollabierten Jungen hast du seinetwegen erzählt. Sie diente nur als Aufhänger, um die Situation in Italien und Amerika miteinander zu vergleichen, und sie ist nicht mal wahr. Das heißt, in der Jugendinfo wurde tatsächlich jemandem schlecht, aber nicht einem jungen, sondern einem alten Mann. Er saß an einem der Tischchen, spielte Karten und hatte zu viel getrunken. Aber diese Geschichte hättest du unmöglich erzählen können.
    Dabei hast du nie einen Zweifel daran gelassen, dass du Alkohol und Zigaretten hier drinnen keinesfalls duldest. Aber so sind sie nun mal, die Alten: Egal, was du sagst, entweder kapieren sie’s nicht, oder sie stellen sich dumm. Bei einer besonders spannenden Kartenrunde kann es schon mal vorkommen, dass einer der Mitspieler nicht mehr weiß, wo er gerade ist, und dich an den Tisch winkt, um einen Cinzano oder ein Glas Weißwein zu bestellen. Wenn du an all die Pläne denkst, mit denen du aus Deutschland hierhergekommen bist, ist das natürlich absolut deprimierend. Und deshalb giftest du auch in ätzendem Ton zurück Ich bin keine Kellnerin, und das hier ist keine Bar, und ich darf Sie daran erinnern, dass alkoholische Getränke hier nicht erlaubt sind . Die Alten nicken einsichtig, aber in Wahrheit scheißen sie drauf und bringen sich die Flaschen von zu Hause mit. Vielleicht liegt es ja auch an diesem Klima der Prohibition, das du geschaffen hast, dass die Alten in der Jugendinfo alle hemmungslos saufen. Da war es doch absehbar, dass früher oder später einer von denen mal umkippt.
    Ja, das wäre wirklich eine erzählenswerte Geschichte, eine wahre Geschichte, die eine Menge über dieses Land verrät: die Geschichte einer zweiunddreißigjährigen Akademikerin, die ihren Master mit Auszeichnung gemacht hat, jetzt aber eine Clique betagter Alkoholiker beaufsichtigt und alles daransetzen muss, um ihre sinnlose, zeitlich extrem befristete und eher symbolisch bezahlte Stelle nicht zu verlieren.
    Aber im Moment ist es besser, möglichst wenig darüber zu sprechen. Du musst Geduld haben und alles aufschreiben, und wenn dein Vertrag ausläuft, suchst du dir jemanden, der bereit ist, eine schonungslose Reportage über deine Erfahrungen hier zu veröffentlichen. Ja genau, so machst du’s. An Themen und an der Fähigkeit zu schreiben fehlt es dir nicht, du musst dir nur die Zeit nehmen und alles in den Computer tippen. Und wenn dieses Nest hier, wo es weder Kneipen noch Kinos, weder Ausstellungen noch Freunde gibt, etwas Gutes hat, dann, dass du für solche Projekte massig Zeit hast. Nur dass du sie vergeudest, Tiziana, du vergeudest deine Zeit. Mit diesem Blog zum Beispiel. Oder mit der Englischnachhilfe, die du einem Achtklässler erteilst, der einfach nichts kapiert. Es hätte ein Mittelstufenkurs in Businessenglisch werden sollen, doch stattdessen erteilst du einem Kind Nachhilfeunterricht. Was für ein Trauerspiel. Und was kommt danach? Vielleicht wäschst du demnächst deinem Onkel das Auto, um dir zehn Euro zu verdienen. Oder du wartest, dass dir ein Zahn ausfällt, den dir die Zahnfee gegen ein Geldstück eintauscht.
    Nein, es reicht, du musst radikal Schluss machen damit. Heute hast du Mirko schon gesagt, dass du ihm nur noch in Englisch helfen kannst, für die anderen Fächer muss er sich jemand anderen suchen. Mag sein, dass der Kleine ein Ass auf dem Fahrrad ist, aber in der Schule ist er nun mal das Schlusslicht. Nicht dass er zu wenig lernen würde, das nicht. Es geht ihm nur einfach nichts in den Schädel rein. Du redest und erklärst, und im nächsten Moment ist es, als hättest du kein Wort gesagt. Der Junge ist echt arm dran.
    Stopp, hör auf, du darfst nicht zu viel darüber nachdenken. Sonst bereust du es noch, und am Ende machst du ihm die Hausaufgaben und schreibst ihm die Aufsätze und legst womöglich an seiner Stelle die Mittelstufenprüfung ab. Das x-te Mal, dass du nichts für dich selber tust und deine Zeit für andere opferst, die deinen Einsatz nicht mal zu schätzen wissen.
    Nein, es reicht, du musst mit dieser

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