Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive
Ministranten plätschert gleichförmig vor sich hin, zum Gähnen wie jede Musik mit der Betonung auf zwei und vier.
Hoffentlich hat das bald ein Ende, aber vielleicht wäre es besser, wenn sie noch eine Weile spielen, denn ich habe plötzlich so ein komisches Kribbeln im Bauch. Als würden eine Million Ameisen meinen Hals hochkriechen, aus meinem Mund raus und über mein Gesicht laufen, so höllisch fängt es jetzt an zu brennen.
Aber das ist nur ein kleiner Streich, den mir meine innere Anspannung spielt. Wenn wir endlich loslegen, wird daraus ein gewaltiger Adrenalinschub, das liest man jedenfalls immer in den Interviews.
»Jungs«, sagt Stefanino piepsig wie ein Küken, das in einem eisigen Winter langsam erfriert. »Ich geh mal kurz aufs Klo.«
»Schon wieder? Aber beeil dich, wir sind gleich dran.«
Er nickt ein einziges Mal, ganz langsam, dann taumelt er Richtung Toilettenkabinen.
Der Song ist zu Ende. Applaus. Sie klatschen sich nicht gerade die Hände wund, aber immerhin. Die Gruppe bedankt sich und tritt ab. Wir begegnen ihnen auf der Metalltreppe. Erhitzt sind sie und leicht benebelt, mit einem schwachsinnigen Lächeln in den geröteten Gesichtern. Sie starren auf das Leder, die Nieten, Flicken und T-Shirts. Nur zu, schaut uns nur ganz genau an, vielleicht kapiert ihr dann, was eine echte Band am Leib trägt.
»Jungs, ihr seid dran, alles klar?«, fragt der Techniker hinter dem Mischpult. Ich bejahe mechanisch, er macht ein O.K.-Zeichen. »Ist alles eingestellt. Ihr geht raus und stöpselt eure Instrumente ein, dann könnt ihr loslegen.«
Der Typ, um die vierzig, ist mir auf Anhieb sympathisch. Dünne lange Haare, im Nacken mit einem Gummi zusammengebunden. Bauch, Kinnbärtchen überm Doppelkinn, ein Rainbow-T-Shirt. Mit Sicherheit war auch er mal auf dem Gymnasium, wollte mit seiner Musik groß rauskommen und hatte den Spott seiner Mitschüler zu ertragen. Den Durchbruch hat er zwar nicht geschafft, aber es hätte schlimmer kommen können. Er arbeitet als Tontechniker für die Gemeinde Pontedera, und deshalb kann man in gewisser Weise sagen, dass er von der Musik lebt. Er verdient zwar nicht viel, hält aber vermutlich sein Geld zusammen und hat ganz bestimmt keine Frau, die große Ansprüche stellt.
Das Mischpult ist durch eine Sperrholzwand von der Bühne mit den bunten Glühlämpchen getrennt. Darunter ein Meer von Zuschauern, die nur darauf warten, uns spielen zu hören. Sämtliche Gymnasien von Pontedera sind da, die Jungs und Mädels aus dem Umland, vor allem aber meine Klasse und an allererster Stelle Ludovica Betti, die wirklich alle Rekorde bricht: Sie ist das schönste Mädchen an der Schule und die blödeste Kuh, die man sich vorstellen kann.
Und jetzt also haben wir hier vor all diesen Leuten unseren großen Auftritt. In der Schule ducken wir uns in die Bänke, und in der Pause verkriechen wir uns in eine Ecke bei den Toiletten. Aber ab heute ist Schluss damit. Heute ist unser Tag, jetzt ist die Stunde gekommen, die Bühne zu betreten und zu spielen, dass allen die Kinnlade runterfällt: die Stunde, um als absolute Rockstars in den Musikhimmel aufzusteigen.
Stefanino ist vom Klo zurück. Er schleppt sich mit gesenktem Kopf die Metalltreppe hoch. Das dauert, er hält sich am Geländer fest, mit der anderen Hand stützt er sich auf dem Oberschenkel ab. Er schaut zu uns hoch, bleich wie eine weiß gekalkte Wand, mit starrem Blick, schwitzend. Wie einer von denen, die den Mount Everest besteigen wollen und dabei kollabieren.
»Sté, wie geht’s dir?« Keine Antwort. »Hast du Power?«
Er nickt gequält. Giuliano drückt ihm den Bass in die Hand. Stefanino hält ihn fest, wir sind also so weit.
Das Publikum hinter der Sperrholzwand ruft nach uns. Ein chaotisches Stimmengewirr, ab und zu brüllt jemand, wo die Musik bleibt, andere rufen den Namen einer Mitschülerin und dazu das Wort Nutte . Phantastisch.
Ich schau rüber zu meinem Techniker-Freund am Pult. »Wir sind so weit.«
Giuliano reißt die Augen auf und hebt demonstrativ die Stöcke.
»Perfekt. Hey Jungs, ihr seid die …« Der Techniker schaut auf einen Zettel am Mischpult. »Ihr seid Metal Devastation, richtig?«
Ich platze fast vor Stolz, wir alle nicken. Er hakt den Namen auf seinem Zettel ab, hebt den Kopf. »Schön, ein Name, der es in sich hat. Jetzt geht raus und haut alles in Stücke.«
Na klar, mein Freund, darauf kannst du wetten.
»Come on!«, brülle ich, und wir sind auf der Bühne.
Die Menschen, die
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