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Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Genovesi
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gar nichts mehr zu sagen, sie verstehen sich ohne Worte.
    »Wir haben hier nur grade Italia, Italia gerufen, Signorina.«
    »Ich weiß, aber wenn Sie auf der Straße herumschreien, fängt bestimmt jemand an zu …«
    »Das ist unser Dorf, Signorina.«
    »Ich weiß, es ist auch meins, aber was tut das zur Sache.«
    »JA-ABER-WIR-SIND-ITALIENER-UND-ALT…«
    »Genau«, pflichtet Divo ihm bei. »Das heißt, wir sind schon länger hier als alle anderen.«
    »Schon gut, meine Herren, aber ich versteh nicht, was das damit zu tun hat, dass …«
    Aber die Alten hören gar nicht mehr hin. Sie kehren ihr den Rücken und wenden sich der Straße zu.
    Ihrer Straße, ihren Häusern, ihrem Dorf. Ihren Sachen.

PONTEDEROCK
    Es ist so weit. Verdammt noch mal, es ist so weit. Das Festival hat begonnen, ein Haufen Leute sind gekommen, und bald sind wir dran. Verdammt noch mal, es ist so weit.
    Wir sollen hier hinter der Bühne warten, haben sie gesagt, und uns bloß nicht vom Fleck rühren. Aber wieso sollten wir uns vom Fleck rühren? Es gibt keinen anderen Ort im ganzen Universum, wo wir lieber wären.
    Allerdings waren wir um einiges zu früh. Wir hatten Angst, dass unterwegs irgendwas dazwischenkommen könnte: eine Reifenpanne oder ein Tsunami, der von Marina di Pisa bis hier runter alles zerstört, oder Riesenratten, die aus dem giftigen Wasser des Kanals kriechen und die ganze Provinz verwüsten. Aber nichts ist passiert, und jetzt stehen wir schon seit vier Stunden hinter der Bühne und warten. Das heißt, als wir hier ankamen, war die Bühne noch nicht mal aufgebaut.
    Aber jetzt ist es acht, und die erste Band ist fast fertig. Zehn Gruppen, eine nach der anderen, spielen jeweils vier Stücke, und wir sind die Nächsten. Bei unserem Auftritt ist es sogar noch ein bisschen hell. Mit wäre es lieber, wenn es stockdunkel wäre, das ist effektvoller, aber was soll’s. Wir sind eine Kriegsmaschine, eine Handgranate, die in die Menschenmenge geschleudert wird, und wenn sie explodiert, richtet jede Bombe Verwüstung an, ob es dunkel ist oder nicht.
    Man braucht uns nur anzuschauen, um zu kapieren, dass wir es ernst meinen. Alle in Lederhosen, Ketten kreuz und quer über der Brust, Nietengürtel unterschiedlicher Art, Nietenarmbänder, Nietenhalsbänder. Dazu Springerstiefel, die Haare zerzaust, T-Shirts mit den Logos der legendären Bands, die uns alles bedeuten (nur Giuliano spielt natürlich mit nacktem Oberkörper).
    Wir sind sensationell, wir sind hammermäßig, wir sind drauf und dran, ganz Pontedera in Trümmer zu legen.
    Alle, bis auf Antonio.
    Er kann nicht mithalten. Er trägt bloß einen Nietengürtel, schmal wie für ein Damenkleid, keine Ketten, und seine Haare sind weder kurz noch lang und mit Gel frisiert. MIT GEL! Wenn man in diesem Moment ein Foto von uns machen würde, wären wir die härteste Band der Welt und er nur ein Passant, der wissen will, wo hier die Disco ist.
    Die Gruppe auf der Bühne spielt ihr letztes Stück. Reggae (was sonst), aber keiner von ihnen trägt Rastalocken. Die haben auch noch nie einen Joint geraucht, so wie die aussehen. Ich wette, vier von den fünf haben ihr Instrument in der Jugendgruppe ihrer Pfarrgemeinde gelernt und spielen bei der Sonntagsmesse Akustikgitarre. Zum Schluss kommt (wie originell!) ihre Coverversion von Bob Marleys No Woman No Cry . Allerdings müssen sie auf Italienisch singen, das ist die Vorgabe, weshalb bei ihnen No donna no piange daraus wird. Dabei ist es meiner Meinung nach absolut zum Heulen. Aber das Publikum applaudiert, vereinzelt hört man sogar Bravorufe, wobei nicht klar ist, ob alle gemeint sind oder nur ein bestimmtes Bandmitglied. Oder vielleicht sogar Bob Marley.
    Aber das interessiert uns nicht, wir sind hier, um alles plattzumachen: Bob Marley und die Sonntage in der Kirche und die Ohren der Leute, die sich hierher verirrt haben und gar nicht wissen, was für ein Wahnsinnsglück sie haben. Das Glück derer, die eines Abends im Jahr 1969 nur auf ein Bier ins Pub wollten, wo zufällig Black Sabbath spielte. Oder die neben der Garage von Ron McGovney wohnten und im Garten ihres Hauses Metallica hörten, die damals anfingen, die Welt zu verändern. Die Zuhörer in Pontedera wissen es nicht, aber sie werden eines Tages sagen können: Ich war beim ersten Konzert von Metal Devastation dabei .
    »Uh yeah, yeah, Mann, entspann dich. Wird schon gut gehen, cool down, Leute, wir sind alle Freunde, uh yeah …«
    Das letzte Stück dieser jamaikanischen

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