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Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Genovesi
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immer so ein Glück habe, kam genau in dem Moment ein Mann vorbei, der das voll mitgekriegt hat. Ich schaute hoch und sah ihm direkt in die Augen, am liebsten wäre ich im Erdboden versunken.«
    Tiziana lächelt, dann hält sie sich eine Hand vors Gesicht. Ihr wunderschönes Gesicht.
    Sie lächelt, und ich lache richtig und will gar nicht mehr aufhören, denn die Stille von vorhin möchte ich auf keinen Fall mehr hören.
    »Hey, was lachst du denn? Es ist dramatisch, tragisch. Und was machst du? Du lachst.«
    »Ach, so schlimm kann das doch gar nicht gewesen sein.«
    »Wie bitte? Du bist korrekt gekleidet, auf dem Weg zur Arbeit, mit der Mappe unterm Arm, mit Handtasche und Sonnenbrille – und dann ein Auswurf wie von einem Bauarbeiter, mitten auf dem Gehsteig. Was für eine Blamage.«
    Ich lache noch immer. Diesmal lacht sie mit.
    »Ich habe gesagt, genug gelacht, das ist ein Drama, verstehst du? Eine Tragödie. Und du?«
    »Und ich was.«
    »Und was ist dir Peinliches passiert?«
    Langsam höre ich auf zu lachen, ich hole Luft.
    »Ach ja«, sage ich und ziehe den Arm aus der Hosentasche meiner Jeans. Halte ihn hoch. »Hier, Tiziana, mir fehlt eine Hand.«

ICH WÜRDE MIR EINEN HAKEN MACHEN LASSEN
    Dieser Blick und ihr Gesichtsausdruck werden mir auf ewig in Erinnerung bleiben.
    Ich dachte, ich würde nie den Zungenkuss vergessen und die Hände und so, aber ich weiß schon jetzt nicht mehr, wo das alles steckt. Vielleicht im Klo meiner Erinnerungen, und dort steht es hinter der Tür, vornübergebeugt, und kotzt. Ich habe nur Tizianas schreckgeweitete Augen vor mir, als ich ihr den rechten Arm ohne die Hand gezeigt habe.
    Erst dachte ich, sie fängt gleich zu an schreien, aber dann verzerrte sich ihr Gesicht zu einer Grimasse wie in einem Horrorfilm, wenn der Hauptdarsteller voller Entsetzen erkennt, dass das schöne Mädchen in Wirklichkeit ein böser Dämon ist. Draußen vor dem Fenster zuckt ein Blitz (in Horrorfilmen ist immer schlechtes Wetter), und ihr Gesicht verwandelt sich in das eines Monsters. Ja, so war es, mehr oder weniger. Und wie in einem Horrorfilm habe ich an dieser Stelle die Flucht ergriffen. Nur dass Tiziana nicht hinter mir hergelaufen ist.
    Denn das hier ist kein Film, sondern die Wirklichkeit, und in der Wirklichkeit hat Tiziana meinen Arm gesehen, an dem die Hand fehlt, und jetzt will sie nichts mehr mit mir zu tun haben. Das meine ich, wenn ich sage, dass der Horror in den Horrorfilmen weniger schlimm ist als der Horror der Wirklichkeit. Wobei dann immer alle sagen, ich sei bekloppt.
    Aber das kränkt mich überhaupt nicht, denn sie haben ja recht, ich bin bekloppt. Das beweist diese großartige Idee, so plötzlich und unvermittelt den Arm aus der Hosentasche zu ziehen.
    O wie peinlich, Tiziana, du hast auf der Straße ausgespuckt und jemand hat dich dabei gesehen? Mein Gott, wie schrecklich, das tut mir echt leid. Stell dir vor, mir ist es besser ergangen. Ich habe ein Handgelenk, an dem nichts dran ist, sieh mal, lustig, nicht? Und was machen wir jetzt, vögeln wir?
    Ja, das war wohl mein Plan. Genial. Und deshalb geschieht es mir recht, dass Tiziana mich so angeschaut hat. Ihr Blick geht mir nicht mehr aus dem Kopf, auch jetzt nicht, während ich schnell zum Laden laufe, in die Kammer mit den lebenden Ködern. Das ist der richtige Ort für mich, dort, bei den Würmern. Und da versteife ich mich immer darauf, unter die Leute zu gehen.
    Einarmiger, Kralle, Pranke, so nannte man mich, als ich vierzehn war. Ich höre es auch jetzt, während ich die Straße langlaufe. Aber es sind keine Erinnerungen, keine Stimmen, die mich aus der Vergangenheit erreichen. Nein, man ruft es mir wirklich nach. Ich drehe mich um und merke, dass ich die Spielhalle passiere, die auf dieser Straßenseite liegt. Normalerweise vermeide ich es, hier vorbeizugehen, um diese Reaktion nicht zu provozieren. Die Bewohner der Spielhalle sehen mich draußen vorbeigehen, sie können es kaum fassen, drängen sich zwischen Tür und Gehsteig und rufen: »Einarmiger, Kralle, Pranke!«, »Hey, brauchst du Hilfe? Kann ich dir eine Hand reichen?«, »Stimmt es, dass dein Lieblingsfilm Captain Hook ist?« Und ähnlichen Scheiß, über den außer ihnen niemand lachen kann, bis auf ein paar Einzeller vielleicht.
    Aber jetzt reicht’s mir, heute ist mir klar geworden, dass ich einfach alles falsch mache. Das Beste ist, ich verzieh mich in den Laden und schließ mich ein. Es ist erst Mittag, aber für heute bin ich bedient.
    Ich

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