Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive
mich gelesen hätten, einen Artikel mit Foto, in dem stand, ich würde einmal ein Star des internationalen Profiradsports werden.
Alle waren sehr beeindruckt und fragten mich, wie man das macht, so schnell Rad zu fahren, und wo das Molise in Italien liegt und ob es stimmt, dass es im Molise keinen Strom gibt. Ich antwortete, so gut ich konnte, und dann sagte ich etwas, was sie zum Lachen brachte, nämlich dass ein Hauptproblem beim Radfahren der Sattel ist, der einem wehtut, aber dass man nach einer Weile nichts mehr spürt. Darauf sagte eines der Mädchen Mein Gott, dann spürst du da unten nichts mehr? Sie schauten sich an und lachten, und ich lachte mit, sagte aber auch Nein, nein oder vielmehr doch, doch, ich spür schon noch was , und Martina legte mir lachend eine Hand auf den Arm. EINE HAND AUF DEN ARM, mir. Sie fühlte sich warm an, und ich bekam eine Gänsehaut, und da schaute ich sie an, aber weil sie mich im selben Moment auch ansah, habe ich sofort wieder weggeguckt.
Dann kamen zwei ältere Herren in identischen Militärjacken schreiend auf uns zu.
»Ich sag dir doch, der ist perfekt so, perfekt!«
»ABER-NEIN-SIEHST-DU-NICHT-WIE-KURZ-DER-OBERKÖRPER-IST-SIEHT-AUS-ALS-HÄTTE-ER-EINEN-BUCKEL.« (Einer der beiden sprach mit einem Apparat an der Kehle und hatte eine Stimme wie ein Roboter.)
»Von wegen Buckel. Er wirkt zwar etwas gestaucht, aber einen Buckel hat er nicht.«
»MEINER-MEINUNG-NACH-IST-ER-VERKRÜPPELT.«
»Ja, schon, aber das ist in Ordnung. Also, ich meine, erinnerst du dich an Coppi? Im Sattel war er perfekt, ein Traum, aber sobald er abgestiegen ist, wirkte er irgendwie verwachsen, mit den langen Beinen und dem rachitischen Oberkörper. Das sind Körper, die dafür geschaffen sind, auf dem Fahrrad zu sitzen, er auch, sieh ihn dir doch an. Auf dem Rad ist er perfekt, aber hier unter den Leuten sieht er aus wie ein Behinderter.«
»MAL-HOFFEN-DIVO-MAL-HOFFEN-DASS-ER-KEINE-NIETE-IST.«
»Da kannst du beruhigt sein. Fühl doch mal das Bein, die Muskeln, fass mal an.«
Die zwei Alten fingen an, mir an die Schenkel zu fassen, hinten, vorn, als wäre ich ein Stück Vieh auf dem Markt oder eine Gurke.
Martina hatte sich inzwischen abgewandt, ihre Freundinnen warfen sich Blicke zu und fingen an zu kichern, ich dachte, ich sterbe. Ich versuchte mich von den beiden Alten loszumachen, und sie sagten Halt still und grabschten an meinen Beinen rum, und der eine meinte Fühl mal hier, stahlhart , und der andere nickte und betatschte mich und sagte Schon, ich will ihn aber mal bei einem richtigen Rennen erleben , und der andere meinte Keine Sorge, am Sonntag in Piacenza hast du die Gelegenheit, am Sonntag zeigst du’s den Emilianern, verstanden?
Martina und ihre Freundinnen waren inzwischen verschwunden, ohne sich zu verabschieden. Die zwei Alten debattierten weiter und nannten die Namen alter Rennfahrer, und bevor sie gingen, zupfte der eine an meinem Kragen rum, damit ich mich nicht erkälte, und im Weggehen debattierten sie immer noch.
Und ich sage jetzt: basta. Ich bin sauer. Und weißt du, was ich am Sonntag machen möchte? Ich möchte nicht gewinnen, am Sonntag möchte ich einfach nur Mist bauen. Alle rings um mich herum bauen Mist, und ich soll immer gewinnen und eine Show abziehen?
Mein Traum wäre, Mist zu bauen wie alle anderen. So wie mein Spaziergang in die Stadt totaler Mist war und so wie diese gemeinen Alten Mist bauen.
Und wie auch dieser Mastro Don Gesualdo Mist baut. Ich habe versucht, die ersten Seiten zu lesen, aber es ist voll langweilig.
SAG MIR WAS PEINLICHES
Man sagt, morgens kann man klarer denken. Aber es wird so viel Unsinn erzählt, mal mehr, mal weniger. Beispielsweise, dass man eine Sache erst mal überschlafen soll, weil man am nächsten Morgen klarer sieht. Mag sein, aber wenn die Gedanken so durcheinanderwirbeln, dass man gar kein Auge zubekommt, was dann?
Ich gehe die Hauptstraße entlang, und mir dreht sich der Kopf. Könnte am mangelnden Schlaf liegen, aber auch an der Hitze, der Feuchtigkeit und den Auspuffgasen. Ich weiß nicht, ob ich gleich ohnmächtig werde oder auf dem Gehsteig einschlafe. Zum Glück donnern pausenlos diese schweren Laster vorbei, die mich fast am Arm streifen, und der Luftstoß hält mich wach.
Ich weiß gar nicht, wohin ich unterwegs bin. Jedenfalls nicht in die Schule.
Heute nicht, ich war ohnehin ganz durcheinander wegen der Geschichte mit Tiziana von der Jugendinfo, und die Aufsätze dieses kleinen Champions haben mir den
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