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Fischer, wie tief ist das Wasser

Fischer, wie tief ist das Wasser

Titel: Fischer, wie tief ist das Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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können.» Ich seufzte. «Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass mir einige im Haus, vor allem Jochen Redenius, mit offensichtlich feindseliger Distanz begegnen.»
    «Haben Sie das? Ich kann nur von mir sprechen, und da kann ich Ihnen versichern, dass ich Sie ausgesprochen nett finde.» Er überlegte kurz. «Nun, was Redenius angeht, der ist nun mal ein kalter Fisch, das müssen Sie nicht persönlich nehmen. Ich weiß aber, dass Robert Lindkrug sich ärgerte, weil Sie einige Kinder angeblich ständig über ihn und seine Arbeit befragen würden.» Er unterbrach die angenehme Berührung, leider, mir wurde im selben Augenblick wieder kalt.
    «Wie bitte? Wer hat das denn behauptet?»
    «Soweit ich weiß, war es Gesa Boomgarden, die   …»
    «Halt! Stopp mal!», unterbrach ich. «Gesa Boomgarden? Ich habe doch heute Morgen im Sitzungsraum erzählt, dass dieses Mädchen wütend auf mich ist. Wegen der Dachwohnung. Könnte es nicht sein, dass sie absichtlich unwahre Dinge über mich erzählt, um mir zu schaden?»
    «Das wäre unter Umständen denkbar.»
    «Na also», sagte ich und war fast erleichtert, dass ich endlich eine Erklärung gefunden hatte, warum mir einige Kollegen aus dem Weg zu gehen schienen. «Wer weiß, wem Gesa noch solche Märchen über mich aufgetischt hat.»
    «Ich schlage vor, dass wir die Sache gleich morgen klären. Ich werde es in die Hand nehmen, wenn es Ihnen recht ist.» Sjard Dieken erhob sich. «Möchten Sie zu unserem Gespräch vielleicht einen Schluck Wein? Ich habe mir vorhin eine Flasche mit in den Garten genommen, sie steht hinter dem Treppengeländer. Ich könnte Ihnen aus den Büroräumen schnell ein Glas holen.»
    «Gern», sagte ich. Die Aussicht auf ein Glas Wein an der Seite von Sjard Dieken auf den Stufen in einer himmlisch kühlen Sommernacht war verlockend.
    Er erhob sich, holte die halb volle Flasche hinter einem Mauervorsprung hervor und ging ins Haus. «Bin gleich wieder da!», sagte er, bevor die Tür zufiel. Im Hintergrund läutete ein Telefon. Es war spät, halb elf bereits. Zu spät für einen gewöhnlichen Anruf im Schulbüro, dachte ich.
    Zehn Minuten vergingen und ich harrte aus, obwohl mir von Sekunde zu Sekunde kälter wurde. Als er schließlich wiederkam, hatte er keine Gläser in der Hand. Er ließ sich schwer neben mich auf die Stufen fallen und trank einen hastigen Schluck aus der Flasche.
    «Es war das Krankenhaus, nicht?», fragte ich mit zitternder Stimme.
    Er rieb sich mit den Fingern die Augen, es war eine müde, eine traurige Geste. «Ja.»
    Ich sagte nichts, ich hatte Angst vor den nächsten Worten.
    «Es war Frau Pietrowska, Jolandas Mutter. Sie rief aus dem Krankenhaus an. Jolanda ist seit einer halben Stunde tot.»

4.
    Henk war am Ende. Er rastete völlig aus. Es war das erste Mal, dass Gesa seine Mutter zu Gesicht bekam, denn sie musste ihn abholen, weil er um sich schlug, kratzte und biss. Er verletzte niemanden außer sich selbst und Gesa hatte den Verdacht, dass er auch genau dies vorhatte.
    «Ich habe sie umgerissen, weil ich sie fangen wollte. Nur wegen diesem beschissenen Spiel ist sie auf den Stein geknallt. Ich habe es getan, ich bin schuld, ich habe es getan!»
    Sjard Dieken kniete neben dem schreienden Henk, hielt ihn richtig fest, und Frau Andreesen stand mit geschocktem Blick daneben und war so hilflos, dass es fast schon wieder lustig war.
    Gesa fand die Situation spannend und amüsierte sich sogar ein wenig. Alle standen sie irgendwo in kleinen Grüppchen im Garten hinter dem Haus herum und machten traurige Gesichter. Natürlich waren sie alle ziemlich durch den Wind, dass Jolanda im Krankenhaus gestorben war. Einfach so, mir nichts, dir nichts. Gestern war es noch ein Verdacht auf Gehirnerschütterung, heute tot.
    Dirk van Looden heulte gleich los, die anderen Jungs versuchten krampfhaft, es nicht zu tun, und Gesa schaffte mit Luftanhalten, dass ein paar Tränen aus ihren Augen traten.
    Gesa war selbst überrascht, als sie ein wenig Traurigkeit verspürte. So schnell konnte es gehen, dachte sie. Nicht nur das mit dem Sterben, sondern vor allem, dass Henk Andreesen in Ungnade gefallen war.
    «Es war nur ein Unfall, Kinder, so etwas passiert nun mal überall auf der Welt, also auch hier bei uns», versuchte es SilviaMühring mit ihrer Singsang-Stimme. Doch Henk kreischte weiter.
    «Ich bin schuld, ich bin schuld, ich bin schuld!»
    «Bist du nicht», sagte Sjard Dieken und strich über Henks hin- und

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