Fischer, wie tief ist das Wasser
aus immer wiederkehrenden, mühseligen Handgriffen.
Gesa würde nie wieder zurückkommen. Denn wenn sie das täte, so würden sie sie nicht mehr gehen lassen, weil sie dort gebraucht wurde.
Doch es war nicht schlimm und sie musste nicht weinen. Sie hatte ein wunderbares Versteck in der Nähe von Liekedeler und dort würde ihr mit Sicherheit einfallen, wie es weitergehen konnte.
Sie wandte sich ab und ging ein paar Schritte. Eigentlich war es schön. Vielleicht war das Kartoffelfeuer noch an und sie konnte alle von ihrem Versteck aus beobachten. Das war fast so gut, als wäre sie wirklich dabei.
Nur sechs Kilometer zu Fuß. Wenn sie sich beeilte und querfeldein lief, dann könnte sie es schaffen.
Gesa konnte nicht gut pfeifen, doch sie spitzte den Mund und blies die Luft heraus, ab und zu entstand auch ein leiser Ton, als sie sich auf den Weg nach Hause machte.
Eigentlich war Veronika Schewe immer eine der Ersten gewesen, die am Abend des Kartoffelfeuers auf Wiedersehen sagte. Doch heute blieb sie, bis die letzte Glut inmitten eines weißgrauen Aschehaufens bei einem leichten Luftzug nur noch mühselig errötete. An manchen Tagen schleicht sich einfach keine Müdigkeit ein, weil sie von tausend Besorgnis erregenden Gedanken vertrieben wird. Für Veronika Schewe war heute so ein Tag.
Sie befürchtete, dass die Personen, um die sich diese Gedanken drehten, zufrieden schlafend in ihren Betten lagen. Okka Leverenz und Sjard Dieken mussten eigentlich gerechterweise von Albträumen gepeinigt werden.
Sjard Dieken dachte wahrscheinlich, dass er seinen Job gut erledigt hatte, nachdem sie ihn mehrfach darum gebeten hatte, mit Okka Leverenz im Gespräch zu bleiben. Er hatte es immer brav erledigt und ihr anschließend im Detail von den Unterhaltungen berichtet. Okka Leverenz war einer Sache auf derSpur, die jetzt noch nicht an die Öffentlichkeit gelangen durfte. Unter gar keinen Umständen. Doch nach dem, was Sjard erzählte, stand sie schon dichter vor der Enthüllung, als Okka Leverenz selbst es ahnte.
Oder Sjard.
Veronika Schewe stocherte mit einem angeschmorten Kartoffelspieß in der Asche herum. Sie mochte Sjard viel zu sehr, und das machte sie wütend. Natürlich war sie zu alt für ihn. Es war bitter, aber der klischeehafte Satz, dass sie seine Mutter hätte sein können, traf fast zu.
Morgen gingen die beiden segeln. Nach einem ihr endlos scheinenden Gespräch mit Okka Leverenz war Sjard endlich wieder in Erscheinung getreten und hatte freudestrahlend von seiner Verabredung erzählt. Es tat weh. Sjard war noch nie mit ihr auf das Boot gegangen.
Am nächsten Tag war die Luft dick wie Sirup und die Möwen überflogen den Norddeicher Hafen in einer Höhe, dass man ihre satten, weißen Bäuche fast mit den Händen hätte erreichen können. Zu viel Sonne lag zwischen den trägen Booten, die wiegenden Stege des Yachthafens lagen wie schlafend auf dem graugrünen Salzwasser. Es war eindeutig zu heiß.
Sjard verschloss seinen Wagen, dann ging er vor mir her zu den Booten hinab. Er trug den Rucksack mit einem Riemen auf der rechten Seite, auf der anderen trug er einen Korb, er hatte uns ein wenig zu essen eingepackt, Brot und Obst und eine Flasche Wein. Ich würde den Anblick nie vergessen können, wie er mir erwartungsfroh und leicht vorausging, so als würde ihm die Sommerhitze dieses Tages Mitte August gar nichts ausmachen. Ich beobachtete seinen geraden Rücken, dessen Formen sich durch das Weiß seines T-Shirts abzeichneten. Dann glittenmeine Augen ein wenig tiefer, und ich spürte eine Welle durch meinen Körper rauschen, fast als wären die schwimmenden Holzwege unter mir in Wallung geraten.
Wir hatten unser Gespräch vom gestrigen Abend mit keinem Wort erwähnt. Natürlich dachten wir beide darüber nach, ich zumindest versuchte beinahe jede Minute erneut Attacken von Misstrauen von mir fern zu halten. Ich sollte nicht mit ihm an Bord gehen, es war unvorsichtig, unklug, höllisch naiv. Er musste von den krummen Machenschaften wissen. Doch der Mechanismus des Verdrängens arbeitet hervorragend, wenn man verliebt ist. Er hat mir doch versprochen, dass er aufhören wird. Kaum sechs Meter lang und eine Menschenlänge breit lag das sonnengelbe Boot am Steg. Nicht viel Platz für uns beide, dachte ich, diese winzige Nussschale würde uns beide zur Nähe zwingen. Egal, ob etwas zwischen uns stand. Egal, ob wir nun wollten oder nicht.
Er ließ das Gepäck hinunter und stieg mit einem großen Schritt an
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