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Fischer, wie tief ist das Wasser

Fischer, wie tief ist das Wasser

Titel: Fischer, wie tief ist das Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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Knall in den Wellen entlud.
    «Ich werde das Loch schon irgendwie stopfen können. Wir sollten aber trotzdem für alle Fälle unsere Position per Funk durchgeben, damit die Leute an Land wissen, wo wir stecken», sagte Sjard, dann küsste er mich kurz.
    Er nahm das kleine, schwarze Funkgerät fest in die Hand und hielt es dicht vor die nassen Lippen. «Liekedeler, Liekedeler,kann uns jemand hören?» Er ließ die Sprechtaste los, wartete auf eine Meldung, doch das feine, dünne, kaum hörbare Rauschen aus dem Gerät war gleichmäßig und monoton, auch als er die Frequenzen wechselte und die Lautstärke hochdrehte. Es war nichts zu empfangen, wir hörten nur den Sturm, der unser winziges Boot mit Wasser füllte.
    «Hier ist Liekedeler, wenn uns jemand hört, wir liegen fest auf dem Nordland in der Nähe von Juist, Höhe Hammersee oder Domäne Loog würde ich sagen, wir sitzen fest und sind leckgeschlagen, wir werden den Schaden nach Möglichkeit selbst beheben, erbitten aber trotzdem Hilfe. Kann uns jemand hören?»
    Ein donnernder Blitz, der den Himmel über Juist zerriss, war die einzige Antwort.
    «Ich schätze, es hat die Batterie zersetzt», sagte Sjard, er schien angespannt und in höchster Alarmbereitschaft zu sein, doch wenn er Angst hatte, so zeigte er sie nicht. Er nahm mich kurz in den Arm, bevor er unter Deck tauchte. Nein, er hatte keine Angst, und weil er keine hatte, war auch ich fast ruhig und kämpfte mit einem roten Plastikeimer gegen die Flut, die bereits um meine Knöchel floss.
    Ich blickte nicht auf, sah nur meine nassen Hände und den Eimer und das Wasser im Boot, doch irgendwann hatte ich das Gefühl, mein Rücken, meine Schultern seien taub und meine Händezu Krallen versteinert. Jeder Liter, den ich über Bord warf, kam mir dreifach wieder entgegen. Aus dem Meer und aus dem Himmel enterten die Wassermassen das Innere unseres Schiffes. Ich schöpfte weiter, immer weiter, doch ich merkte selbst, dass ich langsamer wurde, langsamer und hoffnungsloser. Ich kippte den Eimer nicht mehr immer über Bord, manchmal entleerte ich den Schwall wieder direkt vor meinen Füßen. Ich war unfähig, dieses verdammte Boot zu retten, ich war zu kraftlos.
    Verzweifelt drehte ich mich um und sah, dass Sjard bereits vollständig im Wasser lag.
    «Verdammt, Okka, schau nach, ob du nicht irgendwo ein Stück Brett oder Verkleidung aus der Wand reißen kannst!», rief er. Er arbeitete bereits mit den Händen unter der Wasseroberfläche, das Wasser hatte sich bereits über die gesamte Bootslänge ausgebreitet. Es gab keinen Unterschied mehr zwischen Innen und Außen, es gab nur noch Wasser. «Schau nach dem verdammten Brett, Okka, der Riss geht schon über die gesamte Bugspitze.» Doch ich blieb regungslos stehen. Wo sollte ich suchen?
    «Schau dich doch mal um, Sjard Dieken», sagte ich leise. Er schaute sich nicht um, lag nur da in der Kajüte, sein Shirt schwebte im Wasser wie die Flosse eines Fisches und er hielt seine Hände unter Wasser, ich konnte an den strammen Muskeln seiner Arme erkennen, dass er sich mit aller Gewalt gegen das einströmende Meer zur Wehr setzen wollte.
    «Das beschissene Holz splittert wie Glas, es ist zum Heulen!», fluchte er. Wütend stemmte er sich nach vorn. In diesem Moment kam mir nochmals der Gedanke, dass es für uns wirklich ums Ganze ging, dass das Boot sank, dass wir kurz davor waren, zu verlieren. Ich war wie erstarrt. «Verdammt, Sjard, schau dich doch um! Es ist Schwachsinn, was du dort versuchst, wir müssen raus hier, verstehst du?»
    Nun blickte er sich um. Er starrte auf das Chaos, auf schwimmende Kissen und das aufgeweichte Brot, das voll gesogen auf der Brühe trieb. Und dann löste sich das Schiff, mit einem sanften Ruck setzte es sich von der Sandbank los, und sofort strömte das Wasser auch von vorn durch das Loch, es schoss sich seinen Weg frei in das Innere des Bootes. Sjard wurde von der einlaufenden Strömung zu mir gerissen und wir trieben bisan das Heck. Es vergingen nur ein paar Sekunden, ein paar Augenblicke, nur zwei kostbare Atemzüge, bevor wir schwimmen mussten.
    Ich schrie, ich weiß nicht mehr, ob laut oder leise, doch ich schrie mir meine Scheißangst aus dem Körper, auf den ich mich nun verlassen musste, der meine einzige kleine Chance war. Die Weste hielt mich an der Oberfläche, vielleicht wäre ich sonst ertrunken, denn Panik, den Boden unter den Füßen verloren zu haben, lähmte mich zunächst.
    Das Boot war verschwunden. Es musste ein paar

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