Fischland Mord - Küsten-Krimi
Zeesboottour
hätte, wobei Kassandra registrierte, dass die beiden Männer in ihrer
Abwesenheit zum Du übergegangen waren.
Arnold wirkte ein wenig überrumpelt. »Theoretisch schon. Ich würde
das allerdings lieber mal mit Kassandra machen. Außerdem bin ich immer noch auf
diese Krücken angewiesen. Geht das damit überhaupt?«
»Ich helf dir aufs Boot, du musst nur sitzen und genießen. Wenn ihr
aber lieber zu zweit fahren wollt, klappt’s heute leider nicht, ich hab bloß
noch einen Platz frei.« Es war gewagt, das so lässig zu sagen, als wäre es Jonas
egal, wann Arnold in den Genuss einer Zeesbootfahrt käme, andererseits durfte
er nicht zu auffällig drängen. Arnold sah zwischen Kassandra und Jonas hin und
her. Überlegte er, ob das ein Ablenkungsmanöver war?
»Wie wär’s damit?«, schlug Kassandra vor. »Du fährst erst mal
allein, und falls es dir gefällt, wiederholen wir das gemeinsam. Dann muss ich
auch kein schlechtes Gewissen haben, wenn ich mich heute um den Verwaltungskram
kümmere statt um dich – auch wenn Letzteres angenehmer ist.«
»Verwaltungskram?«
Das klang für Kassandras Ohren nun eindeutig nach Misstrauen.
»Rechnungen, Kurtaxenabführung, Gewerbesteuer.« Sie rollte mit den Augen.
»Alles, was der Mensch nicht braucht, aber leider erledigen muss. Ich würde
lieber wieder mit dir an den Strand gehen, aber das schaff ich frühestens am
Abend.«
Arnold zögerte nur noch kurz, dann erklärte er sich einverstanden.
Kassandra würde ihn um zwölf zum Hafen bringen. Nachdem Jonas sich
verabschiedet hatte, rief Kassandra vom Badezimmer aus Paul an und verabredete sich
mit ihm an der Seefahrtschule, die nahe dem Ortsausgang in Richtung Rostock
lag.
Ein paar Stunden später verfrachtete Jonas Arnold in sein Boot und
formte für Kassandra in einem unbeobachteten Moment mit den Lippen ein
lautloses »Viel Glück«.
Kaum hatte das Boot den Hafen verlassen, fuhr Kassandra zum
Parkplatz der Seefahrtschule und stieg in Pauls Wagen um, der für seine langen
Beine bequemer war als ihrer.
»Hat heute Morgen alles geklappt?«, war seine erste Frage.
»Wie man’s nimmt«, antwortete Kassandra und erzählte von ihrer
Begegnung mit Violetta.
Paul schien das ausgesprochen komisch zu finden. Er lachte. »Ich
wollte dich nicht in Verruf bringen. Hoffentlich war dir das nicht zu
peinlich.«
»Mir? Warum sollte mir das peinlich sein? Ich dachte eher, es wäre
dir nicht recht, wenn Violetta denkt, wie hätten was miteinander. Ich weiß
nämlich nicht, ob ich sie vom Gegenteil überzeugen konnte.«
»Was über mich schon alles gedacht wurde, passt auf viel Papier. Da
kommt’s auf eine Sache mehr oder weniger nicht an.«
Kassandra sah zur Seite und erkannte, dass Paul nicht bewusst war,
was er da gerade gesagt hatte. »Das war das bemerkenswerteste Kompliment, das
mir seit Langem gemacht wurde.«
Paul brauchte etwa eine Sekunde, bis er verstand. »Oh. Nein, bitte, Kassandra.
Das war … So hab ich das nicht gemeint. Ich …« Er brach mit einer beinah
komischen verzweifelten Miene ab.
»Schon klar«, beruhigte sie ihn. »Einigen wir uns darauf, dass es
egal ist, was irgendjemand denkt, solange Arnold nichts davon mitbekommt.«
Zögernd nickte Paul. Selten war er ihr so unsicher vorgekommen.
Sie sah auf die Uhr. »Wir haben noch gut drei Stunden. Hoffentlich
ist Susanne Boes zu Hause.«
»Hatte Arnold Gelegenheit zu telefonieren, ohne dass du es gemerkt
hättest? Falls er ahnt, was du vorhast, und sie – auf welche Art auch immer –
instruieren musste?«
»Ja«, sagte Kassandra knapp.
Paul nickte. »Diesmal gehen wir zu zweit, kein Versteckspiel wie bei
Tina.«
Susanne Boes wohnte direkt in der Altstadt, am Neuen Markt mit
seinen liebevoll restaurierten Häusern und dem Rathaus mit den sieben
Schmucktürmchen. Nachdem Paul einen Parkplatz gefunden hatte, mussten sie ein
Stück zu Fuß gehen, bis sie vor dem hellgelben Giebelhaus standen. Im Eingang
gab es keine Gegensprechanlage, nur das Klingelbrett. Links oben las Kassandra
den Namen »S. Boes«.
Eine kleine Weile verstrich, bevor der Summer ertönte.
Paul drückte die Tür auf, sie betraten das dunkle Treppenhaus und
stiegen wortlos hintereinander die Treppe hinauf. Oben wurde die Tür nur einen Spalt
geöffnet, eine Frau in den Dreißigern schaute ihnen zurückhaltend entgegen.
»Frau Boes?«, fragte Kassandra. »Susanne Boes?«
Die Frau nickte abwartend.
»Ich bin Kassandra Voß, das ist Paul Freese. Wir würden gern mit
Ihnen
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