Fischland Mord - Küsten-Krimi
bisschen
eiliger hat«, stellte Paul fest. »Wenn ich nicht wüsste, dass ich gegen
eine Wand rede, würde ich sagen, du bleibst heute Nacht bei
Jonas.«
»Dann ist es gut, dass du es nicht sagst«, antwortete Kassandra,
bevor Jonas darauf eingehen konnte. »Ich gebe ja zu, dass ich allmählich Angst kriege, aber es ist keine Lösung, mich jede Nacht rauszuschleichen.
Arnold würde das früher oder später mitbekommen, ich fürchte, er ist schon
misstrauisch.« Sie erzählte von seinen Bemerkungen, die ganz unschuldig, aber
ebenso mit Bedacht platziert worden sein konnten, und von seinem Alibi.
»Solange unklar ist, wie alles zusammenhängt, schlage ich vor, wir tun, was wir
tun können: Susanne Boes in Rostock aufsuchen.«
»Willst du das wieder machen – so von Frau zu Frau?«, fragte Jonas.
»Du warst ja bei Tina Bodenstedt auch erfolgreich.«
Kassandra zögerte. »Mir gehen allmählich die Ausreden
aus, dauernd allein unterwegs zu sein. Ich kann Arnold nicht
immer abhängen, er wird sich nach den Gründen fragen.«
»Wie wär’s denn, wenn Arnold zur Abwechslung dich abhängt? Als wir
uns neulich auf deiner Terrasse unterhalten haben, hat er sich nach meinen
Bootstouren erkundigt. Ich werde ihn für morgen einladen mitzufahren.«
»Wie viel Zeit kannst du mir dadurch verschaffen? Bis nach Rostock
sind es zwar nur fünfunddreißig Kilometer, aber die Straße ist dauernd
verstopft.«
Jonas rieb sich das Kinn. »Das könnte knapp werden, stimmt.« Sein
Gesicht hellte sich auf. »Aber der Wetterdienst hat Windstille vorausgesagt, und ich fürchte, mein Boot wird mitten auf dem Bodden einen kleinen Motorschaden haben. Lange genug, um nach Rostock zu fahren, mit Susanne Boes zu reden und wieder zurückzukommen.«
»Das kannst du nicht machen. Du hast vier Touren, du verlierst dadurch mindestens eine, wenn nicht sogar zwei«, protestierte Kassandra.
»Das werd ich schon überleben. Reichen dreieinhalb Stunden?«
Immer noch zweifelnd sah Kassandra Jonas an. »Bist du sicher?« Auf
sein Nicken hin nickte sie ebenfalls. »Ich bringe Arnold zum Hafen und fahre
von da aus gleich los. Das Schwierigste wird sein, ihn zu der Bootstour zu
überreden.«
»Du kennst meine Überzeugungskraft nicht«, erwiderte Jonas feixend.
»Doch, kenne ich.« Kassandra lächelte. »Aus eigener
Erfahrung.«
»Dann machen wir das so.« Er wandte sich an Paul, der die ganze Zeit
kein Wort gesagt hatte. »Was sagst du dazu?«
»Klingt vernünftig.« Paul erhob sich und sah sich gedankenverloren
um. »Morgen zum Informationsaustausch um dieselbe Zeit am selben Ort?« Er
wartete kaum Jonas’ und Kassandras Zustimmung ab, bevor er sich an eine
imaginäre Mütze tippte und ging.
»Was ist denn mit dem los?« Ratlos schaute Jonas ihm
nach. »Wir sollten auch gehen. Es ist spät.«
»Nein, ich bleibe noch ein bisschen. Wir sehen uns morgen.« Nachdem
die Dunkelheit Jonas verschluckt hatte, stieg Kassandra die paar Stufen zum
Strand hinunter und wanderte langsam am Wasser entlang Richtung Steilküste. Es
war halb eins durch, sie sollte im Bett liegen und schlafen, aber sie wusste,
dass sie das ohnehin nicht konnte. Sie dachte an Arnold und Menning und die
Bedrohung, die von beiden ausging, und daran, ob und wie beides zusammenhing.
Sie dachte an Dietrich, der gerade um sein Leben kämpfte, und daran, dass sie
sich schon bald selbst in einer ähnlichen Situation befinden könnte. Wieso tat
sie das eigentlich? Am Anfang war der Grund für Ihre Nachforschungen der Wunsch
gewesen, sich von jedem Verdacht reinzuwaschen. Inzwischen musste sie niemandem
mehr etwas beweisen. Aber sie steckte so tief drin, dass ihr alles andere
falsch vorgekommen wäre.
Vor ihr kamen die acht, neun Boote in Sicht, die umgedreht am Strand
lagen, dort, wo die Dünen langsam ins Hohe Ufer übergingen und die Buhnen
begannen – Holzpfahlreihen in der See, die die Kraft der Wellen brachen und so
das Land schützten. Tagsüber waren die bunten kleinen Boote von Touristen
umlagert, nachts kam Kassandra manchmal her, wenn sie nachdenken und dabei auf
die See schauen wollte. Schon von Weitem sah sie, dass heute vor ihr jemand
anders auf den Gedanken gekommen war. Sie würde noch ein Stück weitergehen und
sich auf einen Stein setzen.
Im Vorbeigehen hörte sie leise ihren Namen. Überrascht drehte sie
sich um. Die Gestalt bei den Booten war aufgestanden und kam auf sie zu. »Was
machst du noch hier?«, fragte Paul.
»Ich konnte nicht einfach nach Hause gehen. Mir
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