Fischland Mord - Küsten-Krimi
über Arnold Kesting sprechen.« Kassandra wollte nicht um den heißen Brei
herumreden, aber vielleicht war das ein Fehler. Sie sah Frau Boes’ rechtes Auge
zucken.
»Was wollen Sie denn noch? Ich hab Ihrem Kollegen schon alles
gesagt, was ich weiß.«
Diese Äußerung bedeutete einerseits wohl, dass Arnold nicht bei
Susanne Boes angerufen hatte – andererseits brachte sie Kassandra aus dem
Konzept. Sie war froh, dass Paul das Wort ergriff. »Bitte, Frau Boes, dürfen
wir reinkommen? Es dauert nicht lange.«
Zögernd öffnete Susanne Boes die Tür etwas weiter und ließ sie
eintreten. Sie war recht groß, hatte die dunkelblonden Haare hochgesteckt und
trug ein Designerkostüm, das Mona gefallen hätte. Offensichtlich legte Frau
Boes auch an einem Sonntagnachmittag zu Hause Wert auf ihr Äußeres. Sie führte
sie in ein geschmackvoll eingerichtetes Wohnzimmer und deutete auf das weiße
Ledersofa, während sie selbst sich auf die Kante eines schwarzen Sessels
setzte. »Ich kann nur wiederholen, was ich Ihrem Kollegen gesagt habe.«
Kassandra wechselte einen Blick mit Paul. Der schüttelte kaum
merklich den Kopf.
»Sie meinen Herrn Dietrich«, stellte er mehr fest, als dass er es
fragte. Auf ihr Nicken erklärte er: »Leider hatte er einen Unfall und konnte
uns nicht mehr mitteilen, worüber Sie gesprochen haben.«
Susanne Boes wurde kreideweiß. »Sie … der Unfall gestern auf der B
105? Es wurde gesagt, dass es sich um einen Polizeibeamten handelt.«
Kassandra machte eine Geste, die alles oder nichts
bedeuten konnte. »Es geht uns wie ihm um die Nacht vom
neunzehnten auf den zwanzigsten Juni. Herr Kesting behauptet, dass er mit Ihnen
zusammen war.« Genau genommen wusste sie nicht, was Arnold gesagt hatte. In
seinem Kalender hatte nur der Beginn der Verabredung gestanden, es war ein
Schuss ins Blaue.
Susanne Boes nickte. »Er kam etwa um neun. Wir waren essen und
schließlich …« Sie starrte auf ihre Hände. »Arnold ist erst am nächsten Morgen
gegangen.«
»Darf ich fragen, seit wann Sie Herrn Kesting kennen?«, erkundigte
sich Paul.
»Seit ein paar Jahren«, blieb Susanne Boes vage.
»Wie haben Sie sich kennengelernt?«, fragte Kassandra.
»Auf einer Ausstellung. Was Arnold machte, gefiel mir, und wir sind
ins Gespräch gekommen.«
Kassandra fühlte sich an den Abend erinnert, an dem sie selbst
Arnold zum ersten Mal begegnet war. Was Susanne Boes sagte, klang plausibel.
»Und weiter?«
»Weiter? Ja, wir haben … Ist das denn wichtig? Ich dachte, es geht
nur um diese eine Nacht.« Frau Boes starrte wieder auf ihre Hände, die sich
leicht verkrampften.
»Haben Sie sich öfter mit Herrn Kesting getroffen?«, fragte Paul.
»Hin und wieder. Damals.«
»In letzter Zeit nicht mehr?«
»Seit etwa zweieinhalb Jahren nicht, nein.«
»Und plötzlich wieder vor drei Wochen. Wie kam das?«, wollte
Kassandra wissen.
»Er rief an und sagte, er wäre wegen seiner Ausstellung auf dem
Fischland und ob wir uns nicht sehen könnten.«
»Aber die Eröffnung war erst anderthalb Wochen später, und soweit
wir wissen, kam Arnold Kesting nicht schon am neunzehnten Juni nach Wustrow.«
Damit wagte Kassandra einen zweiten Schuss ins Blaue. Tina hatte zwar gesagt,
sie sei erst kurz vor Eröffnung bei Gerlinde Meerbusch gewesen, aber ob das
auch für Arnold galt, wusste sie nicht.
Susanne Boes mied ihren Blick, zuckte mit den Schultern und schwieg.
»Sie haben vorhin gesagt, Sie waren mit Arnold Kesting essen. In
welchem Restaurant sind Sie gewesen?«, fragte Paul.
»Ich … wir … ich weiß nicht mehr. Bei einem Italiener. Es war
Arnolds Vorschlag.«
»Frau Boes, Sie wollen uns doch nicht allen Ernstes erzählen, dass
Sie sich nicht mehr erinnern können, wo Sie vor drei Wochen mit einem Mann
essen waren, der sich nach Jahren ganz plötzlich wieder meldet. Hier in
Rostock, in Ihrer Stadt.« Pauls Stimme war nicht mehr freundlich wie zuvor, sie
hatte einen scharfen Klang angenommen. »So schlecht kann Ihr Gedächtnis nicht
sein.«
»Wenn ich es Ihnen doch sage, ich weiß es nicht mehr!« Zum ersten
Mal lag ein Anflug von Panik in ihrem Gesicht.
»Aber dass Sie sich mit Arnold Kesting am Neunzehnten getroffen
haben und dass er die Nacht hier verbracht hat, wissen Sie noch genau? Könnte
es nicht auch der Achtzehnte gewesen sein? Oder der Zwanzigste?«
»Ich … nein … ich … warum drehen Sie mir das Wort im
Mund herum? Ich habe nur gesagt, ich weiß nicht mehr, in welchem
Restaurant wir waren.«
Paul
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