Fischland Mord - Küsten-Krimi
uns beide eine Überraschung. Wir
sind danach noch in eine Bar gegangen, ich habe ein bisschen viel getrunken und
einige Dinge gesagt, die ich unter anderen Umständen für mich
behalten hätte.«
»Mit denen er Sie erpresst hat?«, fragte Kassandra.
»Erpresst?« Diesmal war Susanne Boes’ Erstaunen glaubwürdiger. »Das
würde Arnold nie tun. Ich habe ihm erzählt, dass ich Schulden habe, hohe
Schulden. Ich … spiele, wissen Sie.« Das Geständnis war ihr unangenehm, aber
Pauls Verhörmethoden und die Angst, in einen Mordfall verwickelt zu werden,
wogen schwerer. »Ich habe schon meinen Wagen und den meisten Schmuck verkauft,
aber das reichte nicht. Arnold hat mir einen Betrag angeboten, mit dem ich aus
dem Gröbsten raus wäre. Bitte glauben Sie mir, dass ich wirklich dachte, es
wäre eine persönliche Angelegenheit.«
»Wie viel?«, wollte Paul wissen.
Susanne Boes’ Blick irrte für einen Sekundenbruchteil zu Paul, sie
schluckte. »Dreißigtausend.«
Kassandra schnappte nach Luft. »Das fanden Sie nicht ein bisschen
sehr großzügig für einen kleinen Gefallen in einer persönlichen Angelegenheit?«
»Für Arnold sind das Peanuts«, verteidigte sich Susanne Boes.
»Haben Sie diese Peanuts schon erhalten, oder steht Ihr Honorar noch
aus?«, fragte Paul. »Überlegen Sie sich Ihre Antwort. Wir erfahren so oder so,
ob Sie Ihre Schulden bezahlt haben.«
»Also gut, ja. Ich habe das Geld genommen und den größten Teil
meiner Schulden bezahlt.« Sie rieb sich die Wange und verschmierte das Make-up
weiter. »Wenn Arnold tatsächlich diesen Mann ermordet hat, was passiert dann
mit mir? Ich meine, ich habe doch jetzt die Wahrheit gesagt,
oder? Und das Geld? Ich weiß nicht, wie ich das zurückbekommen
soll.«
Das waren alles klärenswerte Punkte, zu denen Kassandra allerdings
wenig sagen konnte. Was würde mit Susanne Boes geschehen, wenn dies eine
offizielle Polizeiermittlung wäre? Sie schaute zu Paul, der sich nicht anmerken
ließ, was er dachte.
»Kesting wird Ihnen die Dreißigtausend kaum auf Ihr Konto überwiesen
haben. Wie haben Sie das Geld bekommen?«, wollte er wissen, ohne auf die Fragen
einzugehen.
»Arnold hat einen Boten geschickt, letzten Donnerstag.
Der Mann hatte alles in bar dabei, in einem Koffer.«
Paul und Kassandra sahen sich an. Menning?
»Wie sah er aus?«, fragte Kassandra.
»Groß, blond, sehr attraktiv. Er hat nichts weiter gesagt, nur den
Koffer abgegeben.«
Wieder wechselten Kassandra und Paul einen Blick. Das klang nicht
nach Menning, dafür aber nach dem Mann, der laut Arnold bei Tina gewesen war,
als sie ihn im Keller eingesperrt hatte. Das ergab alles keinen Sinn.
»Um die dreißig?«, erkundigte sich Paul.
»Eher Mitte vierzig. Ich hatte den Eindruck, er wollte die Sache
möglichst schnell abwickeln, ihm war nicht sonderlich wohl dabei.«
Paul schaute für einen Moment aus dem Fenster, aber er sah zweifellos
etwas ganz anderes als das Rathaus. »Was meinen Sie: Könnte er Angst gehabt
haben?« Er klang überhaupt nicht mehr wie bei einer Vernehmung,
sondern wie jemand, der etwas Bestimmtes im Sinn hatte und gespannt wartete,
wie die Antwort ausfallen würde.
Nachdenklich legte Frau Boes die Stirn in Falten und erwiderte zum
ersten Mal seit einiger Zeit seinen Blick. »Schon möglich. Aber wovor hätte er …«
»Haben Sie mal ein Blatt Papier und einen Bleistift?«, bat Paul,
ohne sie ausreden zu lassen. Verwundert verließ Susanne Boes das Wohnzimmer, um
beides zu holen.
»Glaubst du, du weißt, wer das war?« Kassandra ahnte, was Paul
vorhatte.
»Werden wir gleich sehen.« Er setzte sich wieder, nahm Stift und
Papier entgegen und begann zu zeichnen, wie er damals nach Kassandras
Beschreibung Josef Kind gezeichnet hatte. Nach und nach entstanden die
Gesichtszüge eines gut aussehenden Mittvierzigers. Als das Porträt fertig war
und Paul es Susanne Boes reichte, hielt Kassandra den Atem an.
»Genau«, sagte die beeindruckt. »Ich habe ihn gar nicht so detailliert beschrieben, das heißt dann wohl, Sie hatten einen Verdacht.
Wer ist der Mann?«
»Es ist sicherer für Sie, wenn Sie das nicht wissen«, stellte Paul
fest. »Jedenfalls bis wir uns überlegt haben, was wir als Nächstes tun.«
»Ich dachte, das liegt auf der Hand«, sagte Susanne Boes perplex.
»Sie nehmen Arnold fest – und vielleicht diesen Mann. Hat der auch was mit dem
Mord zu tun?«
Kassandra hörte nur die Worte, ihr Blick war unverändert auf die
Zeichnung gerichtet. Sie war ihm nie
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