Fischland Mord - Küsten-Krimi
beschleunigen.«
»Wir spekulieren schon wieder.« Auffordernd deutete Jonas auf die DVD .
Paul legte sie ins Notebook und drehte es so, dass alle das Display
sehen konnten. Es gab mehrere Bild- und vier Textdateien. Die Textdatei mit dem
Namen »Degenhard« klickte Paul als Erstes an. Daraus ging hervor, dass Dietrich
Raimund und Cornelia Degenhard letzte Woche unter dem Vorwand, in einer
Einbruchserie zu ermitteln, befragt hatte. Die Einbrüche hatten tatsächlich um
die Mordnacht herum in der Stralsunder Altstadt stattgefunden, aber die
Degenhards hatten nichts bemerkt, sondern am entsprechenden Abend angeblich
schon früh gemeinsam im Bett gelegen. Damit hatte Cornelia Degenhard ihrem Mann
ein Alibi gegeben, das von Dietrich nur knapp mit einem
Fragezeichen kommentiert worden war.
Die zweite Textdatei trug den Namen » KT «.
Sie fasste die Ergebnisse der kriminaltechnischen Untersuchung zusammen und
erläuterte, was die Bilddateien zeigten: Fingerabdrücke und sonstige Spuren
sowohl aus Josef Kinds Pensionszimmer als auch aus der Seefahrtschule, von
Arnolds Glas, den Katalogen und Tinas Visitenkarte. In Kinds Zimmer hatte es
eine Reihe nicht identifizierbarer Spuren gegeben, die meisten wohl von
früheren Gästen. Eindeutig waren nur die Hinweise auf Kind selbst und auf
Kassandra. Auf Kinds Anzug hatte man Fasern gefunden, die zu dem am Fenster
hängen gebliebenen Stück Stoff passten – vermutlich von einer Decke, in die die
Leiche zum Transport gewickelt worden war. Die Hautpartikel unter seinen
Fingernägeln hatten aufgrund von fehlendem Vergleichsmaterial nicht näher bestimmt
werden können. Ein verschmierter halber Fingerabdruck stammte eventuell, dieses
Wort hatte Dietrich unterstrichen, von Arnold Kesting. Und auf dem Karteikasten
mit den Anmeldezetteln hatte er tatsächlich Kinds Fingerabdrücke gefunden.
Der Kellerraum der Seefahrtschule war spurenmäßig zweigeteilt. Im
hinteren Teil, zu dem Arnold vermutlich nie vorgedrungen war, hatte man
haufenweise unbekannte Fingerabdrücke, Haare, ein Kondom und Reste von
Erbrochenem gefunden. Im vorderen Teil dagegen gab es fast ausschließlich kaum
verwertbare, weil verwischte Spuren – selbst auf den nachträglich platzierten
Flaschen. Der Kriminaltechniker hatte abgeschürfte Haut und eingetrocknetes
Blut sicherstellen können, beides stammte wahrscheinlich von Arnolds
Verletzungen. Ein einziger Fingerabdruck war deutlich genug, um ihn mit
Sicherheit Arnold zuzuordnen. Wer immer da aufgeräumt hatte, war sehr gründlich
vorgegangen und hatte nur eine Sache übersehen, die nicht von Arnold stammte:
ein blondes Haar im unmittelbaren Bereich der Tür. Dietrich hatte ein Labor in
Schleswig-Holstein, das auch rechtsmedizinische Untersuchungen im Privatauftrag
durchführte, um einen DNS -Abgleich aller
verfügbaren Spuren mit denen im Fall Kind gebeten. Er schrieb dazu, dass das
einige Zeit in Anspruch nehmen würde.
Wenn sich durch den Abgleich von Kinds DNS mit der des blonden Haares ein Verwandtschaftsverhältnis
nachweisen lässt, dürften zwei Dinge bestätigt sein: Tina Bodenstedt ist seine
Tochter – und sie war im Keller. Falls es Mennings Absicht war, alle Hinweise
auf sie zu beseitigen, hätte er also gepatzt. Es ist ihm aber sicher sowieso
klar gewesen, dass seine Aktion nur einer oberflächlichen Untersuchung
standgehalten hätte. Falls seine Absichten andere waren, hatte er
möglicherweise mehr Erfolg. Die Laborergebnisse bringen uns hoffentlich weiter, war Dietrichs Schlussbemerkung.
Seine eilig hingeworfenen handschriftlichen Notizen deuteten darauf
hin, dass er wenig Zeit gehabt hatte, den Bericht zu verfassen, die Dateien auf DVD zu spielen, das Päckchen zu packen und
aufzugeben. Bestimmt war es dieser Hast zuzuschreiben, dass er vergessen hatte
zu erwähnen, wohin das Labor die Ergebnisse schicken würde.
»Warum war gerade die Bodenstedt Dietrich so wichtig?«, fragte Jung
mit Blick auf den letzten Absatz des Berichtes.
»Er wusste nicht, dass sie längst zugegeben hatte, im Keller gewesen
zu sein – und was sie über Arnold Kesting erzählt hat«, erklärte Paul. »Für ihn
war sie unsere verschwundene Hauptverdächtige, deshalb wollte er einen Beweis.
Arnolds Geschichte allein wäre keiner gewesen, der hätte sie nur wieder ändern
müssen.«
»Eins beweist die Untersuchung ganz sicher: Jemand war da unten und
hat Spuren vernichtet«, sagte Kassandra. »Und Dietrich hegte offenbar keinen
Zweifel mehr daran, dass das Menning war.
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