Fischland Mord - Küsten-Krimi
Paul gesprochen haben.« Er sah wieder Paul an. »Was denkt
ihr euch dabei, selbst Polizei zu spielen? Schreibst du gerade einen Krimi und
willst hautnah recherchieren, oder was?«
»Gar keine schlechte Idee«, fand Paul, dann wurde er ernst. »Du hast
ja recht. Das Dumme ist nur, dass sich die beiden Fälle nicht trennen lassen.
Daraus ergeben sich ein paar Komplikationen, angefangen damit, dass wir nicht wissen,
wem bei der Polizei wir vertrauen können. Wir haben da schlechte Erfahrungen
gemacht. Oder besser, wenn unser Verdacht gegen Menning sich bestätigt, hat
Dietrich sie gemacht. Also erstens: Wer hat keinen Dreck am Stecken? Und
zweitens: Wer würde uns überhaupt zuhören mit unseren Indizien und dem Verdacht
gegen einen der eigenen Leute? Deswegen bist du hier.«
»Das hab ich schon begriffen, trotzdem bevorzuge ich den
geradlinigen Weg. Abgesehen davon ist es eine ziemliche Herausforderung. Ich
weiß wirklich nicht, ob ich …« Jung hielt inne. »Was ist mit Dietrichs
Material? Lasst ihr mich das sehen?«
Jungs Beruf hatte ihn offenbar geprägt, die Sache reizte ihn trotz
aller Vorbehalte. Kassandra nickte. »Ja, klar.«
Jonas stimmte ebenfalls sofort zu, Paul zögerte nur eine winzige
Sekunde, was Jung allerdings nicht verborgen blieb.
»Herzlichen Dank für dein grenzenloses Vertrauen«, sagte er pikiert.
Paul zuckte mit den Schultern. »Kein Problem.«
»Du meinst, du hältst mich zwar für ein Arschloch, aber doch für ein nützliches, ja?« Jung war laut geworden. »Hast du keine Befürchtungen,
dass ich zu Menning gehe und erzähle, was ihr treibt?«
Kassandra hielt die Luft an. Die Atmosphäre hatte sich auf einen Schlag verändert. Paul und Jung maßen sich mit einem langen Blick.
»Was soll das?«, fragte Paul endlich. »Wir hätten reichlich
Gelegenheit gehabt, unsere Differenzen auszutragen. Jetzt ist der falscheste
Zeitpunkt dazu. Können wir uns bitte wieder dem eigentlichen Thema widmen?«
»Wenn du meine Frage beantwortet hast«, beharrte Jung.
Paul sah ihn ohne sichtbare Regung an. »Für welche Sorte Arschloch
ich dich halte? Oder ob ich befürchte, dass du zu Menning gehst?«
Allmählich war Kassandra geneigt, Pauls ursprünglichen Bedenken
zuzustimmen. Vielleicht war Jonas’ Idee, Jung einzuweihen, doch nicht so
brillant gewesen. Da geschah etwas, das sie weder je zuvor gehört noch
überhaupt für möglich gehalten hätte. Jung lachte. Es klang meckernd und
abgehackt, aber es war zweifelsohne ein Lachen. Jonas und Kassandra wechselten
einen Blick, während Paul Dietrichs handschriftliche Notizen zu Jung
rüberschob, der sich langsam beruhigte.
»Das unterstützt zumindest zum Teil das, was Kassandra und ich von
Susanne Boes erfahren haben.«
Jung überflog die Blätter, nickte und schaute zu
Kassandra. »Wie fühlt es sich an, Kesting zu beherbergen? Ich
hatte ja bis heute keine Ahnung, warum Paul mich zu Ihnen geschickt hat.«
»Meistens ist es weniger schlimm, als ich dachte. Ich wäre trotzdem
froh, wenn diese Geschichte bald vorbei wäre.«
»Tja«, sagte Heinz Jung lang gezogen. »Das ist so eine Sache mit …
Geschichten.« Er musterte Kassandra, bevor er zurück zu Paul sah.
»Ich bin mein ganzes Leben lang Polizist und mit vielen Geschichten
konfrontiert gewesen. Manche waren leicht zu durchschauen, andere weniger. Ich
frage mich …« Er machte eine Pause, ließ Paul aber nicht aus den Augen. »… was
das hier für eine wird«, beendete er den Satz. »Was habt ihr noch? Wessen Handy
ist das?«
»Dietrichs«, sagte Paul. »Es war übrigens aus, aber er hatte die PIN ebenso deaktiviert wie seine Mailbox, ich konnte es
problemlos einschalten. Kassandra, deine SMS mit
der Bitte um Rückruf hat er nicht mehr gelesen, deine älteren Nachrichten und
die Anruflisten wurden gelöscht, was natürlich nicht heißen muss,
dass Menning sie nicht kennt.«
»Anscheinend hat er befürchtet, es könnte geortet werden. Er hätte
mit seinem Auto ähnlich vorsichtig sein und sich einen Mietwagen nehmen
sollen«, meinte Jonas. »Hast du von Freddy was Neues über Dietrichs Zustand
gehört?«
Während Paul den Kopf schüttelte, nahm Kassandra das Handy vom
Tisch. »Weshalb hat er es geschickt?«
Sie begann, die Menüs zu durchforsten, bis sie bei den Audiodateien
fündig wurde. Dietrich hatte offenbar zwei Gespräche heimlich mitgeschnitten.
Die neuere Aufzeichnung dokumentierte die Unterhaltung
mit Susanne Boes. Dass deren Inhalt inzwischen überholt war,
hatte er nicht
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