Fischland Mord - Küsten-Krimi
sein. Was immer sie ihm bereits erzählt hatten, empörte
ihn anscheinend sehr. Wie viel davon hatte er eben am Telefon erwähnt? Was
konnte Arnold daraus ableiten? Sie stand da und wusste nicht, was sie sagen
sollte. »Wieso Brass?«, brachte sie schwach hervor.
»Er fragt, wo zum Teufel du bleibst, ob du eine Extraeinladung
brauchst, und wenn du nicht in zehn Minuten im Sitzungsraum der Freiwilligen
Feuerwehr auf der Matte stündest, könntest du deinen Antrag an die
Gemeindevertretung gleich vergessen, der nebenbei gesagt sowieso kaum Chancen
auf Genehmigung habe, aber die Antragstellerin müsse wenigstens anwesend sein.«
Arnold hatte fast schneller gesprochen als Violetta. Jetzt machte er eine
Pause, trat auf Kassandra zu und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Du
solltest dich auf die Socken machen.«
Kassandra zerrte sich die Gummihandschuhe von den Fingern. »Mist,
das hab ich komplett vergessen. Der Termin steht seit Wochen fest, und ich
verpenne das. Das kann nicht wahr sein!« Sie hechtete in ihr Zimmer, wo sie ein
frisches T-Shirt und eine saubere Jeans überzog.
Auf dem Flur hatte sich Arnold nicht vom Fleck bewegt. »Worum geht’s
denn?«, erkundigte er sich, als sie wieder auftauchte.
»Um die Aufstockung meines Anbaus. Ich könnte noch ein
Gästezimmer mehr anbieten.« In Windeseile schlüpfte sie in ein
paar geringfügig repräsentativere Turnschuhe, huschte an Arnold vorbei, rannte
auf die Terrasse, holte ihr Handy, das sie während der Gartenarbeit dort
abgelegt hatte, stopfte es in ihre Tasche, kam zurück und riss die Haustür auf.
»Drück mir die Daumen!« Sie spürte, dass Arnold ihr nachsah, und wagte erst in
der Strandstraße, ihr Handy hervorzuholen.
»Seid ihr bei dir?«, fragte sie, als Paul sich meldete. Sie hatte
keinen Antrag gestellt, aber selbst wenn, wusste sie aus eigener Erfahrung,
dass die Gemeindevertreter solche Beschlüsse allein fällten. Heinz Jung
schien über bemerkenswertes schauspielerisches Talent zu verfügen
– oder er war einfach ganz wie sonst gewesen. »Warum habt ihr auf dem Festnetz
angerufen?«
»Weil wir wollten, dass Arnold ans Telefon geht.«
Natürlich, wenn er selbst hörte, worum es ging, und das noch von
Kassandras ungeliebtem Nachbarn, war das glaubwürdiger als die gefühlte
millionste Ausrede von ihr. »Das erspart mir, ihm was ins Essen zu tun. Ich bin
gleich da.«
Es war das erste Mal, dass sie Paul und Heinz Jung zusammen sah.
Nach Jungs Ausdruck zu urteilen, war ihm seine Anwesenheit in Pauls Haus nicht
ganz geheuer. Er saß neben Jonas auf dem Sofa und wirkte alles andere als
entspannt. Als Kassandra näher kam, rutschte er nach vorn auf die Kante und
nickte ihr zu. Jonas’ Nicken begleitete ein Lächeln. Vom Streit zwischen ihm
und Paul, der sich ihnen gegenübersetzte, war nichts mehr zu spüren.
Anscheinend hatten sie sich ausgesprochen. Als Kassandra in einem Sessel Platz
nahm, fiel ihr Blick auf den Tisch, auf dem der Inhalt von Dietrichs Päckchen
lag, außerdem stand Pauls Laptop dort.
»Habt ihr die DVD schon angesehen?«
»Nein«, sagte Jonas. »Ich bin selbst erst seit zehn Minuten hier.«
»Bevor Jonas kam, habe ich Heinz erklärt, was wir tun«, ergänzte
Paul.
»Du meinst, auf was für ein hirnverbranntes und gefährliches Spiel ihr euch eingelassen habt«, sagte Jung mürrisch. »Bei dir wundert
mich das weniger, du hattest ja schon immer eine Vorliebe fürs Dramatische,
aber von Ihnen, Herr Zepplin, hätte ich mir ein bisschen mehr Vernunft erhofft.
Von Ihnen will ich mal nicht reden.« Er sah Kassandra vorwurfsvoll an.
»Es war eher umgekehrt«, stellte sie amüsiert fest. »Paul hat uns
das ausreden wollen.«
»Tatsächlich?« Jung wandte sich wieder an Paul. »Wirst
du schwach auf deine alten Tage? Oder vernünftig?« Als Paul nur
die Brauen hob, ohne etwas zu erwidern, sagte er wie zu sich selbst: »Na, das
ist vermutlich eine Definitionsfrage.«
»Viel wichtiger ist die Frage, ob Sie uns helfen werden«, meinte
Jonas. »Ihnen müsste doch daran gelegen sein, einem korrupten Kollegen das
Handwerk zu legen.«
»Ich höre immer korrupt.« Jung klang aufgebracht wie Dietrich. »Wenn
ich Paul richtig verstanden habe, liegen keinerlei Beweise gegen Hauptkommissar
Menning vor. Was mit seinem Kollegen Dietrich passiert ist, kann durchaus so
sein, wie es dargestellt wird. Was Arnold Kesting angeht, gibt es immerhin
Indizien, damit können Sie zu den Behörden gehen. Nehmen Sie diese Dame mit,
mit der Frau Voß und
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