Fischland Mord - Küsten-Krimi
Lieber
suchte sie die Notrufnummer.
Eine Dreiviertelstunde später hatte die Pumpe ihr Bestes getan und
der Klempner sich um den Abfluss und das defekte Rohr gekümmert. Nur noch der
feuchte Geruch erinnerte an den Schaden.
Am Treppenaufgang stand das Weinregal, und Kassandra fiel wieder ein, warum sie ursprünglich in den Keller gegangen war. Jonas
folgte ihrem Blick und fischte aufs Geratewohl eine Flasche heraus.
»Brunello di Montalcino La Togata«, sagte er
anerkennend. »Etwa vierzig Euro die Flasche. Nicht schlecht,
deine Bestände.«
»Wenn ich mir schon mal ausnahmsweise was gönne, muss es auch was Besonderes sein.« Kassandra nahm ihm die Flasche aus der
Hand. »Wollen wir die köpfen?« Sie war kaputt und nass und wollte ins Bett,
aber nach einem weiteren unangenehmen Tag würde sie ja doch
nicht schlafen können, und der Rotwein würde die Bettschwere
erhöhen. Außerdem wäre das eine angemessene Art, Jonas für seine Hilfe zu
danken.
»Ist lange her, dass ich so was Edles getrunken habe.«
»Geh rüber und zieh dich um. Bis du wieder hier bist, lass ich den
Wein atmen.« Sie öffnete die Flasche und zog sich selbst um. Gerade als
sie zwei Gläser aus der Vitrine holen wollte, klingelte Jonas,
der einen Brotkorb in der einen und einen Schmalztopf in der anderen Hand
hielt.
»Kleine Stärkung zum Wein. Ich dachte, Salz hast du vielleicht im
Haus.«
Der Brunello und die Schmalzbrote waren hervorragend. Kassandra lehnte sich zurück und merkte, wie sie sich langsam entspannte,
während sich Jonas im Wohnzimmer umsah.
»Jetzt leben wir seit über einem Jahr Haus an Haus, aber ich war
bisher bloß in deiner Küche und in deinem Garten«, sagte er.
Kassandra wusste nicht recht, was sie darauf erwidern sollte, also
wartete sie, bis er wieder das Wort ergriff.
»Warum bist du so zurückhaltend allen gegenüber? Ich sehe hier nur
ab und zu mal Violetta Grabe, sonst kriegst du nie Besuch.«
»Ich habe meine Gäste, das ist Besuch genug.«
»Du weißt, was ich meine. Du musst doch Leute kennen
aus deinem Leben vor Wustrow, wenn du schon
auf uns Einheimische nicht viel Wert legst.«
»Das stimmt nicht!«, protestierte Kassandra. »Ihr seid mir nicht
gleichgültig. Ich mag es, hier zu leben, sonst wäre ich doch gar nicht
hergekommen.« Sie stockte. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie mich
heute alle angeguckt haben, wie einen Drachen mit zehn Köpfen.«
»Wundert dich das?« Jonas lächelte, wurde aber gleich wieder ernst.
»Wir fragen uns eben, was du eigentlich für eine bist. Woher kommst du, was
hast du vorher gemacht? Hast du keine Freunde? Willst du keine?«
»Ich kann ganz gut ohne leben«, sagte sie trotzig.
»Das kann auf lange Sicht gesehen niemand. Wie schwer ist es dir
gefallen, heute Abend Jung um die Pumpe zu bitten?«
Kassandra verzog wortlos das Gesicht.
»Wie schwer wäre es dir gefallen, deswegen zu mir zu kommen?«
»Nicht wesentlich leichter«, gab sie zu. »Ich möchte gern allein
klarkommen.«
»Warum?« Jonas war hartnäckig.
Kassandra schenkte sich Wein nach, es war schon das
dritte Glas, während sich Jonas immer noch am ersten festhielt. Sie
sollte den teuren Wein nicht runterschütten wie eine beliebige Billigmarke,
aber das Einschenken und Trinken verschaffte ihr Zeit. »Weil ich weiß, dass ich
mich auf mich verlassen kann.«
»Auf andere grundsätzlich nicht? Hast du wirklich keine
Freunde?«
»Nicht grundsätzlich nicht«, sagte sie langsam. »Und doch, ich habe
noch eine Freundin von früher, wir treffen uns in Stralsund.«
»Ist sie nicht neugierig, wie du lebst? Merkwürdige Freundin.«
Unwillkürlich lächelte Kassandra in sich hinein. »Mona
Kolbert auf dem Fischland? Sie würde das spießig finden. Sie
findet schon Stralsund reichlich spießig.«
»Mona Kolbert? Doch nicht die von Juwelier Kolbert mit den zig
Filialen in Norddeutschland? Die rumrennt, als würde sie für ihre eigenen Läden Werbung laufen, mit Schmuck behängt wie drei Schaufenster,
und die ständig in diesen Hochglanzmagazinen auftaucht?«
»Doch. Die.«
»Die ist deine Freundin?«
Jetzt lachte Kassandra. Sie war selbst erstaunt, wie viel Spaß ihr
Jonas’ Verblüffung machte. »Sie ist gar nicht so schlimm.«
Im Gegenteil, Mona war die Einzige gewesen, bei der sie sich im
Scheidungskrieg mehr als einmal hatte ausheulen können.
»Wie lernt jemand wie du jemanden wie Mona Kolbert kennen?«
»Auf einer von Svens Partys.«
»Wer ist jetzt wieder Sven?«
»Larsen«, rutschte
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