Fischland Mord - Küsten-Krimi
vierköpfigen Gott der Slawen benannt
worden. Direkt am Brückenaufgang stand eine Skulptur des heidnischen Gottes, an
der Tina Bodenstedt sicher ihre Freude gehabt hätte, aber auch Kassandra fand
sie eindrucksvoll. Swantewit war der Ursprung des
Ortsnamens, der eigentlich Swante Wustrow lautete – heilige
Insel. Die Bezeichnung kam Kassandra sehr passend vor, nicht nur weil das
Fischland tatsächlich einmal eine Insel gewesen war. Wenn sie auf die See
hinausblickte und hinter sich das Land und wieder Wasser wusste, fühlte sie
sich auf magische Weise eins mit der Welt.
»So nachdenklich?«, fragte Arnold Kesting auf einmal dicht neben
ihr. Kassandra, die noch auf den Stufen zur Terrasse gestanden und zur See
gesehen hatte, hatte ihn nicht kommen hören. »Überlegst du, was du essen
willst, oder hast du tiefschürfendere Gedanken?«
»Ich weiß schon, was ich esse«, sagte sie leichthin. »Der Matjes ist
hervorragend.«
Sie nahmen an ihrem Tisch Platz, und während Arnold durch die
Speisekarte blätterte, beobachtete Kassandra ihn möglichst diskret.
»Warte doch damit, mich zu studieren, bis ich mit der Karte fertig
bin«, sagte er, ohne hochzublicken.
»Oje. Ich bin ja leicht zu durchschauen.«
Jetzt sah Arnold auf. »Nicht immer. Ich weiß zum
Beispiel nicht, worüber du eben so angestrengt nachgedacht hast,
wenn es nicht die Menüfolge war.«
»Wie schön. Da bleib ich wenigstens ein bisschen
rätselhaft. Finden Männer das nicht reizvoll, wenn Frauen ihre
Geheimnisse haben?« Die Situation hätte ihr peinlich sein sollen, aber sie
hatte auf diese Weise mit Svens Freunden auf zahllosen Partys
geplaudert und es offenbar nicht verlernt.
»Durchaus«, bestätigte Arnold schmunzelnd.
Die Bedienung kam und nahm ihre Bestellung auf, kurz darauf brachte
sie schon den Wein. Kassandra hob ihr Glas und hielt es in Richtung See und
Sonne. Die Sonnenstrahlen funkelten im Wein.
»Das ist unglaublich«, stellte Arnold fest. »Ich hätte
nicht gedacht, dass es das gibt. All diese
Leute um uns herum, und trotzdem ist es ruhig und friedvoll.«
»Das ist einer der Gründe, weshalb ich das Fischland so liebe«,
nickte Kassandra. »Wie ist es da, wo du lebst?«
»Bei mir ist zurzeit alles im Umbruch. Wer weiß, vielleicht lass ich
mich hier nieder?« Er sah ihr lächelnd in die Augen. »Es gäbe sicher mehrere
gute Gründe dafür.«
»Wo hast du denn bisher gelebt?«
»Mal hier, mal da. Düsseldorf, Hamburg, Potsdam. Ich war kein
sesshafter Typ. Vielleicht werde ich’s. Wer weiß«, wiederholte er mit demselben
Lächeln.
Ich sollte allmählich darauf eingehen, dachte Kassandra und lächelte zurück. Trotzdem beschloss sie, wenigstens eine weitere Frage
zu stellen. »Warum warst du so rastlos? Hattest du –«
»Kassandra, Mensch, bin ich froh, dass ich dich sehe, ich wollte
dich schon die ganze Zeit anrufen, ich muss dir doch unbedingt sagen, wie leid
mir die Sache neulich tut, ich hoffe, du bist nicht mehr sauer, obwohl ich das
natürlich verstehen könnte, vergessen wir einfach, dass wir uns
wegen Raimund gestritten haben, und alles ist wieder wie vorher,
das würde mir echt viel bedeuten, was meinst du, geht das?«
Kassandra stöhnte innerlich auf. Sosehr sie den Bruch mit Violetta
bedauert und sich gewünscht hatte, sich mit ihr auszusöhnen – nicht ausgerechnet
heute Abend. Sie bemerkte Arnolds entgeisterten Blick. Offenbar kannte er keine
Leute, die ohne Punkt und Komma redeten.
»Natürlich bin ich nicht mehr sauer. Ich denke zwar
immer noch, dass du ein bisschen blauäugig bist, aber du musst
selbst wissen, was du tust«, sagte Kassandra.
»Du hast davon nichts –«
»Nein«, unterbrach Kassandra sie, ehe Violetta »der Polizei erzählt«
sagen konnte.
»Danke«, sagte sie erleichtert. »Wir sind wieder Freunde?«
»Klar.«
Violetta strahlte, ihr Blick wanderte zu Arnold. »Ich
will nicht länger stören, ihr habt euch sicher viel zu erzählen,
Sie kommen mir bekannt vor, kann das sein?«
Arnold hatte sich inzwischen erholt, sah aber immer noch etwas
fassungslos aus. »Äh, ja, kann sein.«
»Violetta, das ist Arnold Kesting. Seine Ausstellung wurde gestern
in der Kunstscheune eröffnet. Arnold, das ist meine Freundin Violetta Grabe.«
»Freut mich«, sagte Arnold sparsam.
»Deshalb, ich kenne Ihr Foto wahrscheinlich aus dem
Veranstaltungsplan, wissen Sie, ich hab’s nicht so mit der Kunst,
selbstverständlich find ich Bilder toll, aber, na ja … Ich wünsch euch beiden
noch einen
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