Fischland Mord - Küsten-Krimi
ein
Spiel spielte. Wenn er bei ihr wohnte, konnte sie nicht mal mehr ihre Tür
schließen und ihn aus ihrem Leben aussperren. Andererseits würde er sich
wundern, wenn sie ihn abwies, wo sie gerade dabei
gewesen waren, sich näherzukommen. Vielleicht gelang es ihr
sogar, ihn dazu zu bringen, dass er ihr vertraute und erzählte, was in dem
Keller wirklich geschehen war. Sie traf ihre Entscheidung, riss die Tür weit
auf und erwiderte sein Lächeln. »Wenn’s dir nichts ausmacht, ins Zimmer eines
Mordopfers zu ziehen.«
»Ich hoffe doch, das ist nicht ansteckend.« Arnold lachte.
Kassandra bückte sich nach seiner Tasche. Kann man nie
wissen, dachte sie. »Wieso bist du nicht mehr im Krankenhaus?«
»Ich hab mich selbst entlassen und bin ziemlich sicher, dass die
nicht allzu böse waren. Ist letztlich egal, wo ich rumhumpele.«
Kassandra stieß die Tür zu Josef Kinds Zimmer auf, das die Polizei schon
lange wieder freigegeben, in dem aber seit seinem Tod niemand mehr
gewohnt hatte. Sie stellte die Tasche auf das Bett und drehte
sich um. »Wie geht’s dir?«
»Ich dachte schon, du würdest nie fragen.« Arnold
humpelte auf sie zu. »Jetzt geht’s mir schon viel besser.« Er
ließ eine der Krücken los und lehnte sie an den Schrank, mit der freien Hand
berührte er Kassandras Gesicht.
Selten war sie über die Türklingel so froh gewesen. »Entschuldige
mich«, bat sie.
Gleich darauf vor Paul zu stehen, war allerdings fast zu viel für
sie, was sich deutlich auf ihrem Gesicht abzeichnete.
»Ist was nicht in Ordnung?«, fragte Paul.
Sie konnte nicht sofort antworten, schüttelte bloß den
Kopf. Sie wusste nicht, was Arnold hören konnte, die Tür zu
seinem Zimmer hatte sie offen gelassen. »Doch, alles klar.«
»Sicher?«
Sie zuckte die Achseln und deutete hinter sich, was Paul
veranlasste, alarmiert über ihre Schulter zu sehen und gleichzeitig ganz ruhig
zu sagen: »Mir ist eingefallen, dass doch was auf dem Stick ist, das ich zum Arbeiten
brauche, ich komme sonst nicht weiter. Könntest du dir ›Eiswellen‹
auf den PC kopieren und mir den Stick
mitgeben?«
»Ja, natürlich.« Kassandra ging voran und sah Arnold aus dem Zimmer kommen. Im selben Moment hörte sie, wie Paul stehen blieb.
»Was tun Sie hier?«, fragte er. »Sollten Sie nicht im Krankenhaus
liegen?«
»Tag, Genosse Oberst«, erwiderte Arnold. »Tut mir leid, Sie
enttäuschen zu müssen. Bei Kassandra ist es netter als anderswo, deshalb bin
ich dankbar, dass sie mich aufgenommen hat. Und bevor ich es
vergesse: Ich fürchte, ich muss mich bei Ihnen für meine Rettung
bedanken. Das tue ich hiermit.«
Paul und Arnold musterten einander. Die Temperatur auf dem Flur
schien dabei plötzlich um einige Grade zu sinken.
»Keine Ursache. Erinnern Sie sich einfach gelegentlich daran, dass
Staatssicherheit auch das kleine Wort Sicherheit beinhaltet.« In Pauls Ton lag
kein einziger Funke Ironie oder gar Humor, er klang kalt, wie Kassandra ihn das
letzte Mal auf der Ausstellung gehört hatte.
Arnold schrak unwillkürlich ein wenig zusammen. »Sie
sind ein …«
»Ein was?«, schnitt ihm Paul das Wort ab. »Sie spionieren hinter
Tina Bodenstedt her, das ist nicht besser als das, was wir damals gemacht
haben. Bloß haben wir uns nicht so dämlich angestellt. Wir sind nie von
den von uns beobachteten Subjekten in irgendwelche Keller
eingesperrt worden.«
»Eingesperrt? Mich hat niemand eingesperrt. Ich habe
keine Ahnung, wie Sie darauf kommen. Sie sind etwas eingerostet
in Ihrem Job. Zu viel überschäumende Phantasie.«
»Das hat mit Phantasie nichts zu tun, Herr Kesting. Wohl aber mit
Frau Bodenstedt, die Sie da unten mit Lebensmitteln versorgt hat. Was Sie
Kassandra über Ihr Treffen mit Heiner Bertram erzählt haben, war Müll. Ich
schlage vor, Sie rücken mit der Wahrheit raus.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, sagte Arnold, inzwischen weit weniger selbstbewusst. »Bertram sagte, er habe Tina unterrichtet,
und das wäre alles gewesen.«
»Und für diese Information sperrt Frau Bodenstedt Sie in den Keller?
Wohl kaum. Oder hat sie das schon getan, bevor Sie überhaupt eine Chance
hatten, Bertram zu sehen? Trifft sich gut, dass der Mann zurzeit in Spanien
ist, aber ich garantiere Ihnen, dass ich rausfinde, wie er zu erreichen ist.
Die Märchen von Ihnen, die ich glaube, müssen erst noch erfunden werden.«
Kassandra verfolgte das ungleiche Duell mit
zunehmendem Unbehagen. Pauls Verhalten wirkte bedrohlich, sogar
auf sie.
»Viel Erfolg
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