Fischland Mord - Küsten-Krimi
zu wissen, worum es geht. Ich kann kaum glauben,
dass ich das tue.«
Kassandra war klar, was Dietrich riskierte, und sie akzeptierte
seine Entschuldigung. Dann hob er plötzlich die Stimme. »Hören Sie auf, Frau
Voß, es kann doch nicht sein, dass Sie diesen Anmeldezettel
immer noch nicht aufgetrieben haben.« Leise fügte er hinzu: »Nebenbei:
Haben Sie ihn gefunden?«
Kassandra verneinte. »Ich bin wirklich nicht so
unordentlich. Jonas Zepplin hat vermutet, dass Kind irrtümlich
richtige Angaben gemacht und den Zettel deshalb selbst entsorgt hat.«
»Suchen Sie weiter. Ich hoffe für Sie, dass er wieder auftaucht«,
sagte Dietrich laut und provokant. Dann wieder leiser: »Die These hat was. Kann
ich den Karteikasten haben, um ihn auf Fingerabdrücke zu untersuchen? Ich mag
nämlich keine offenen Fragen.« Auf Kassandras Nicken hin fuhr er fort: »Wo wir
dabei sind: Haben Sie für einen DNS -Abgleich
etwas, was Arnold Kesting benutzt hat? Ich hätte zur Sicherheit
gern Speichelspuren oder Ähnliches.«
»Da ist noch ein Glas im Geschirrspüler. Ich kann das und den
Karteikasten nachher mit zu Herrn Freese nehmen.«
»Perfekt. Und jetzt schicken Sie mir Kesting rein.«
Kassandra hatte keine Möglichkeit, das Gespräch
zwischen Dietrich und Arnold zu belauschen – sie wagte nicht, auf
dem Flur stehen zu bleiben. Stattdessen ließ sie Arnolds Glas in der Küche
vorsichtig in eine Gefriertüte gleiten und packte es mit dem Karteikasten in
ihren Shopper. Nebenbei hörte sie, dass Arnold einmal empört lauter wurde und
zu seinem Zimmer und zurück humpelte, und schließlich, wie sich Dietrich
verabschiedete.
»Machen Sie sich keine Mühe, Herr Kesting, ich finde
allein raus«, sagte er, als er schon auf dem Flur stand.
»Wiedersehen, Frau Voß«, rief er noch, dann fiel die Tür ins Schloss, ohne dass
sie etwas darauf erwidert hatte – sie war damit beschäftigt, eine SMS zu verschicken, die nur aus einem Wort bestand: Jetzt.
Arnold saß auf dem Sofa, mühsam unterdrückten Zorn im Blick.
»Was wollte er?«, fragte Kassandra.
»Zum hundertsten Mal dieselben Fragen beantwortet
haben. Wo ich wann war, bis in die Steinzeit. Ich musste meinen
Kalender zurate ziehen.« Genauer ließ sich Arnold nicht aus, er erwähnte auch nicht, ob Dietrich nach seinem Alibi für die Mordnacht gefragt hatte.
»Mach dir nichts draus. Dietrich ist ein unangenehmer Zeitgenosse, was meinst du, was ich mir von dem schon alles anhören musste.«
»Vielleicht sollten wir uns gegenseitig trösten?«, schlug Arnold
lächelnd vor. Er legte seine Hand auf ihre.
Kassandra ging auf seinen Ton ein. »Kein schlechter Plan«, sagte
sie.
Der Griff um ihre Hand wurde stärker, er zog sie zu
sich herüber, während er ihr in die Augen sah. Da klingelte es
Sturm. Arnold wurde bleich. »Wenn das wieder Dietrich ist«, sagte er,
und Kassandra fragte sich, wie scherzhaft das gemeint war,
»schlag ich ihn eigenhändig mit meinen Krücken zusammen.«
Dazu kam es nicht, denn eine völlig aufgelöste Violetta platzte herein, die einen Redeschwall über sie ergoss, wie er aufgeregter nicht
hätte sein können. Sie stoppte ganz kurz, als sie Arnold sah, sprach aber
sofort weiter. »Oh, ich störe, Entschuldigung, Herr Kesting, ich wusste nicht,
dass Sie … Ich bin unmöglich, ich hätte vorher anrufen sollen, ich weiß, aber
bitte, Kassandra, ich schaff das nicht allein, es ist eine Katastrophe, kannst
du gleich mitkommen, es ist viel verlangt und ja schon spät, aber ich stürz mich
sonst von der Seebrücke, ich schwör’s dir, ich mach’s wieder
gut, für Sie auch, Herr Kesting, bestimmt.«
Arnold sah nicht mehr wütend, sondern vielmehr erschlagen aus. »Kein
Thema, Frau …«
»… Grabe, wirklich nicht, danke, das ist wunderbar, Kassandra, kommst
du, wenn wir nicht gleich … weiß ich echt nicht mehr, wie …« Violettas Stimme
wurde leiser, als sie wieder hinauslief.
Kassandra warf Arnold einen entschuldigenden Blick zu.
»Ich mach’s auch wieder gut, versprochen. Aber ich kann Violetta
nicht im Stich lassen.«
»Klar. Geht’s wieder um diesen, wie hieß er gleich? Raimund?«
»Das hast du dir gemerkt? Nein, ich glaube, das hier
ist was anderes. Warte
nicht auf mich, kann spät werden.« Sie ließ ihn im Wohnzimmer
zurück, schnappte sich ihre Jacke und die Tasche von der Garderobe und folgte
Violetta nach draußen.
Erst nachdem sie Heinz Jungs Haus passiert hatten, richtete
Kassandra das Wort an ihre Freundin. »Ich kann dir nicht
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