Fischland-Rache
Teelichtern einen Schlüssel liegen sah. Verblüfft griff sie danach. »Woher hast du den?«
Mirko blieb stumm.
Kassandra sah zu Paul, der ihr Duell mit Mirko verfolgt hatte, ohne sich einzumischen, und nun ebenso dicht an ihn herantrat. »Heinz ist im Knast zusammengeschlagen worden«, sagte er eindringlich. »Dir ist doch klar, dass er das alles für dich in Kauf nimmt? Weil er dich schützt. Willst du das? Willst du, dass ihm dadrin noch Schlimmeres passiert, bloà weil dir die Courage fehlt zuzugeben, was du getan hast, und die Konsequenzen zu tragen? Wenn seine Freundschaft dir je was bedeutet hat, ist jetzt der Zeitpunkt, ihm das zu zeigen.«
»Wie kommst du darauf, dass wir befreundet sind?«, stammelte Mirko.
»Weil Kassandra recht hat. Du bist hier, weil du über Heinz nachdenkst, du bist mit seinem Schlüssel reingekommen, und dein Vater hat gesagt, dass ihm eine ganze Bande seltsamer Typen als deine Freunde entschieden lieber wären als jemand anderes, den er kurz entschlossen nicht weiter definierte. Wie die Dinge liegen, würde ich sagen, er meinte Heinz. Wenn ich auch nicht verstehe, warum.«
Mirko sah auf seine FuÃspitzen. »Weil er nicht kapieren will, dass ich mir mit Heinz mehr zu sagen habe als jemals mit ihm. Was wiederum daran liegt, dass Heinz mir zuhört.« Ruckartig hob er den Kopf. »Wieso redest du überhaupt von Ralf?«
Paul erklärte, dass sie sich bei der Fotoausstellung erkundigt hatten, wie es um den Streit zwischen den beiden stand.
Mirko nickte ein wenig abwesend. »Ralf ist eine Pest, er lässt mich nicht mal bei mir zu Hause in Ruhe. Man sollte meinen, ich bin neun, nicht neunundzwanzig. Heinz hat mir den Schlüssel vor ein paar Wochen mit den Worten âºWenn duâs mal gar nicht mehr aushältstâ¹ gegeben. Damit kann ich jederzeit hinten rein und mich in die Wohnung oben zurückziehen, auch wenn er nicht da ist.« Plötzlich trat etwas Kämpferisches in seinen Blick. »Du hast vorhin super geschlussfolgert, Paul, aber leider bloà zur Hälfte richtig. Ich hab keine Ahnung, wieso Heinz dieses Theater veranstaltet, aber bestimmt nicht meinetwegen.«
»Tatsächlich nicht?«
Unwirsch schüttelte Mirko den Kopf. »Nachdem in Wustrow rum war, dass jemand Sascha Freese erschossen hatte, stand Heinz vor meiner Tür und sagte, dass seine Waffe weg ist und er es für einigermaÃen wahrscheinlich hält, dass die Polizei auf den Gedanken kommt, er hätte deinen Bruder ermordet. Er beschwor mich, in dem Fall meine Klappe zu halten.«
»Deine Klappe halten, worüber?«, schaltete sich Kassandra ein.
»Darüber, dass Heinz den Mord überhaupt nicht begangen haben konnte.«
Einen Atemzug lang blieb die Zeit stehen. »Er ⦠warum nicht?«, fragte Kassandra perplex.
Mirkos Gesichtsausdruck verschloss sich wieder, dann seufzte er resigniert, lieà sich in den Sessel zurück- und seine Sachen wieder auf den Boden fallen. »Wenn ich quatsche, bringt Heinz wirklich jemanden um, nämlich mich.«
»Mir wäre lieber, er hätte die Gelegenheit dazu, als dass er da bleibt, wo er ist«, sagte Paul. »Dir nicht? Am besten, du erzählst von Anfang an.«
»Ich erzählâs euch. Aber nur euch, nicht der Polizei, damit das klar ist. Würdest du bitte das Licht wieder ausschalten? Danke.«
Während sich Paul und Kassandra aufs Sofa setzten, schaute Mirko in die flackernden Kerzenflammen, wie um sich zu sammeln. »Das âºFischLänderâ¹ brummte vom ersten Tag an, ohne Reservierung war besonders zu Anfang gar nichts zu machen. In der zweiten Woche stand Heinz in der Tür. Er guckte zwar skeptisch, neugierig war er offensichtlich trotzdem. Ich balancierte gerade vier Teller auf den Armen und sagte im Vorbeigehen, dass kein Platz mehr frei wäre, dass er aber gern an der Bar auf einen Tisch warten könne, wenn er mindestens eine Stunde Geduld hätte. Nicht dass ich damit rechnete, schlieÃlich hätte er bequem nach Hause gehen und später wiederkommen können. Als ich an die Bar zurückkehrte, saà er auf einem der Hocker, ein Pils vor sich, und beobachtete den ganzen Trubel.«
Kassandra brauchte ein bisschen Phantasie, sich Heinz im übervollen »FischLänder« vorzustellen, er hatte immer abgelehnt, mit ihr hinzugehen. Ein Beweis mehr dafür, dass es noch viele Seiten an ihm gab, die sie
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